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Volksbegehren „SOS Medizin“: Hürde geschafft mit 26.811 Unterstützungserklärungen

Branchen News vom 08.03.2017

Ärztekammer gibt vorläufiges Ergebnis des Einleitungsverfahrens bekannt

Wien (OTS) – Ende 2016 hat sich die NÖ Ärztekammer dazu entschlossen, das Volksbegehren „SOS Medizin“ gegen die Demontage des Österreichischen Gesundheitssystems zu starten. In einem ersten Schritt wurden Unterstützungserklärungen gesammelt. „Wir sind sehr glücklich, dass wir bereits nach wenigen Wochen die erforderliche Anzahl erreicht haben. Für die Einleitung des Volksbegehrens ist die Unterstützung von einem Promille der österreichischen Bevölkerung notwendig, das sind 8.401 Personen. Bis zum heutigen Tag haben wir nicht nur diese Mindestanzahl erreicht, sondern es sind 26.811 Unterstützungserklärungen bei uns eingelangt!“, berichtet der Präsident der NÖ Ärztekammer, Dr. Christoph Reisner, MSc im Zuge einer Pressekonferenz am Mittwoch.

Mit 28. Februar haben die meisten Gemeinden bereits die bei ihnen unterzeichneten Unterstützungserklärungen an die Ärztekammer geschickt. Bis dahin war nicht klar, wie hoch der Zuspruch in der Bevölkerung ist. Reisner: „Ich war von Anfang an optimistisch, dass die Unterstützung aber so gewaltig ist, damit habe auch ich nicht gerechnet. Immerhin ist der Aufwand für interessierte Bürger beträchtlich. Jeder Unterstützer musste mit Ausweis in sein Wohnsitzgemeindeamt gehen und dort die Unterstützungserklärung vor den Augen eines Gemeindebediensteten unterschreiben. Daraufhin wurde überprüft, ob der Unterzeichner im Wählerregister eingetragen ist, wo bei positiver Prüfung ein Sperrvermerk gesetzt wurde, um ein doppeltes Unterzeichnen zu verhindern. Anschließend übernahm entweder die Gemeinde den Versand der Erklärung an die Ärztekammer oder der Unterzeichner schickte seine Erklärung selbst mit der Post an uns.“ Die wesentlich einfachere Möglichkeit des Unterzeichnens mittels Handysignatur oder Bürgerkarte beziehungsweise mittels Briefwahl gibt es bei einem Volksbegehren derzeit noch nicht.

Kärnten und Wien als Unterstützer des Volksbegehrens

Erfreulich ist, dass sich weitere Landesärztekammern dem Volksbegehren angeschlossen haben. Die Ärztekammer für Kärnten war vom ersten Tag an als Unterstützer dabei. Dr. Josef Huber, Präsident der Kärntner Ärztekammer, meint dazu: „Unser wichtigstes Ziel liegt darin, die Patienten vor diesem Radikalumbau des Gesundheitssystems zu warnen. Daher unterstützen wir auch das von der Ärztekammer für Niederösterreich gestartete Volksbegehren SOS Medizin“. Werden Kassenstellen im Umkreis von Primärversorgungseinheiten gestrichen, bedeutet dies für Menschen in Bundesländern mit ländlichen Strukturen längere Anfahrtswege zum Arzt des Vertrauens. Denn die Politik plant Kassenstellen im Umkreis von Versorgungszentren zu streichen. „Eine Primärversorgungseinheit in einer Bezirksstadt kann jedoch niemals die Ärzte in den Seitentälern und kleinen Gemeinden ersetzen“, so Huber weiter. „Seit vielen Jahren tut die Politik nichts, um die Arbeit der niedergelassenen Ärzte attraktiver zu machen. Die ausufernde Bürokratie, Leistungslimitierungen und die ständige Zunahme an Regulierungen machen uns das Leben schwer. Statt dies zu ändern, will die Politik plötzlich ganz neue Strukturen durchboxen, von denen niemand weiß, ob sie funktionieren.“

Nach der Kärntner hat sich auch die Wiener Ärztekammer entschlossen, das Volksbegehren SOS Medizin mitzutragen und zu unterstützen. „Gerade in Zeiten, wo das Gesundheitssystem abgebaut wird und die Wartezeiten in den Spitälern länger werden, ist es wichtig, dass Patienten rasch Behandlungsalternativen finden. Oft finden sie diese im niedergelassenen Wahlarztbereich, doch dieser ist ein finanzieller Stolperstein für die ärmeren Patienten. Das macht die Abschaffung der Wahlarztkosten-Rückerstattung zu einer äußerst unsozialen Maßnahme, denn nur mit dieser Beihilfe können sich viele Menschen eine ärztliche Versorgung abseits der Spitäler und der niedergelassenen Kassenärzte leisten“, kommentiert der Wiener Ärztekammerpräsident Dr. Thomas Szekeres eine der zentralen Forderungen des Volksbegehrens, nämlich die Forderung nach dem Erhalt der Wahlarztkosten-Rückerstattung.

Volksbegehren „SOS Medizin“ – die Forderungen

Mit dem demokratischen Mittel des Volksbegehrens soll die Bevölkerung informiert und langfristig Sicherheit für Ärztinnen und Ärzte sowie Patientinnen und Patienten geschaffen werden, indem folgende Forderungen als bundes(-verfassungs-) gesetzliche Regelungen festgeschrieben werden:

  • Erhalt ärztlicher Einzelordinationen und Gruppenpraxen

    Allgemeinmedizinische und fachärztliche Einzelordinationen oder Gruppenpraxen sollen künftig durch zentrale Versorgungseinrichtungen ersetzt werden können. Dies bedeutet, dass die Betreuung und Behandlung, die heute von Hausärzten und niedergelassenen Fachärzten wohnortnah erbracht werden, in Spitäler, Ambulatorien oder Versorgungszentren verlagert werden, die künftig auch als Parallelstrukturen zur niedergelassenen Ärzteschaft errichtet werden können. „Dadurch wird es zur Streichung von Kassenplanstellen und in weiterer Folge zur Verdrängung der „Vertrauensmedizin“ sowie der wohnortnahen Versorgung kommen“, warnt Reisner vor dieser Entwicklung, von der besonders niedergelassene Fachärzte betroffen sein werden. Bisher hatten Ordinationen von niedergelassenen Ärzten Vorrang gegenüber Ambulatorien, weil sie kosteneffizient, flexibel und patientennah sind – ein Grund für ihren Erfolg und ihre hohe Beliebtheit bei den Patienten.

  • Erhalt der Arbeitszeitenhöchstgrenzen für Spitalsärztinnen und Spitalsärzte

    Das neue Krankenanstalten-Arbeitszeitgesetz hat für Spitalsärzte eine Reduktion der überlangen Arbeitszeiten gebracht. Sie dürfen nicht mehr wie früher 72 Stunden pro Woche und nicht mehr 49 Stunden durchgehend zur Arbeit eingeteilt werden. Wenn nun zusätzliche Leistungen aus den Ordinationen in die Spitalsambulanzen verlagert werden sollen, ist eine Aufweichung des Gesetzes nötig, denn es herrscht dort bereits heute enorme Arbeitsverdichtung und -belastung. In den Ambulanzen der Spitäler gibt es keine zusätzlichen Ressourcen für Patienten, die aus dem niedergelassenen Bereich in Ambulanzen verschoben werden sollen.

  • Kostenerstattung von Wahlarzthonoraren und Niederlassungsfreiheit für Wahlärzte

    Die Rückerstattung von Wahlarzthonoraren bietet auch sozial schlechter gestellten Patienten die Möglichkeit, Leistungen eines Wahlarztes in Anspruch zu nehmen. Diese Rückerstattung wird als „Geldleistung“ bezeichnet. Die Politik will nun aber die „Sachleistung“ forcieren. Es muss daher davon ausgegangen werden, dass die Kostenrückerstattung zurückgedrängt werden soll, was eine Einschränkung der freien Arztwahl für Patienten bedeutet. Dazu kommt, dass Wahlärzte derzeit den Standort ihrer Ordination frei wählen können. Künftig könnte über den regionalen Strukturplan eine Bedarfsprüfung für die Niederlassung von Wahlärzten erforderlich sein.

  • Direkte Medikamentenabgabe in Einzelfällen durch den niedergelassenen Arzt

    Ärzte in Ordinationen verordnen regelmäßig die für eine Therapie notwendigen Medikamente. Bis auf wenige Ärzte mit ärztlichen Hausapotheken erfolgt diese Verordnung über den Umweg des Rezeptes und den Weg in eine öffentliche Apotheke. „Eine Forderung des Volksbegehrens betrifft die direkte Abgabemöglichkeit eines kleinen Sortiments an Medikamenten bei dringender sozialer oder medizinischer Indikation. Beispielsweise bei Visiten oder bei schwer erkrankten Patienten, die keine Möglichkeit haben, sich ihre Medikamente aus der nächsten öffentlichen Apotheke zu besorgen“, erläutert Reisner.

Nächste Schritte: Einreichung des Volksbegehrens

Täglich kommen weitere Unterstützungserklärungen mit der Post in die NÖ Ärztekammer. „Daher muss derzeit noch von einem vorläufigen Ergebnis gesprochen werden. Sobald die Ärztekammerwahlen abgeschlossen sind, werden wir die Unterstützungserklärungen im Bundesministerium für Inneres abgeben und damit offiziell das Volksbegehren einreichen. Nach Prüfung der Unterlagen setzt das Ministerium innerhalb von acht Wochen bis sechs Monaten die Eintragungswoche fest. Erreicht das Volksbegehren am Ende der Woche zumindest 100.000 Unterstützer, wobei die bisher geleisteten Unterschriften hinzugezählt werden, müssen sich die Abgeordneten des Nationalrates mit den Forderungen auseinandersetzen“, so Reisner abschließend.

In den letzten zehn Jahren fanden übrigens sieben Volksbegehren statt. Vier davon haben es in den Nationalrat geschafft, zuletzt das Volksbegehren gegen TTIP/CETA.

Weitere Informationen finden Sie auf www.sos-medizin.at und www.facebook.com/sosmedizin.

  • Fotos von der Pressekonferenz finden Sie in Kürze auf der Website der NÖ Ärztekammer www.arztnoe.at.

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