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Verbesserte Impfversorgung für Migranten

Branchen News vom 27.03.2012

Wien (OTS) – Der 21. Österreichische Impftag legt seinen Schwerpunkt auf die geringe Durchimpfungsrate bei Migranten, die für uns alle schwerwiegende Folgen haben kann. Impfexperten warnen und fordern ein eigenes Impfprogramm für Migranten.

Mit 1,5 Millionen Migranten ist Österreich ein klassisches Einwanderungsland. Die Wirtschaft unseres Landes funktioniert nur durch die regelmäßige Zuwanderung. Menschen mit Migrationshintergrund machen heute 18,6 Prozent der österreichischen Bevölkerung aus und haben eines gemeinsam: Sie sind oft medizinisch schlechter versorgt als die heimische Bevölkerung und das betrifft auch die Impfversorgung. Der 21. Österreichische Impftag für Ärzte und Apotheker – veranstaltet am 24. März in Salzburg von der Österreichischen Liga für Präventivmedizin, der Österreichischen Gesellschaft für Kinder- und Jugendheilkunde, der Österreichischen Ärztekammer und der Österreichischen Apothekerkammer – macht nun auf diese Problematik aufmerksam.

Warum ist die Impfversorgung von Migranten so unzureichend? Viele Migranten sind gar nicht geimpft. Die Ursachen dafür sind ein erschwerter Zugang zu Gesundheitseinrichtungen, Sprachbarrieren, fehlendes Wissen über Impfungen und finanzielle Gründe. Impflücken bergen ein Gesundheitsrisiko, das zum Ausbruch von leicht übertragbaren Infektionserkrankungen führen kann.

Aktive Teilnahme von Migranten an Impfprogrammen unerlässlich

Um höhere Durchimpfungsraten für eine Eliminierung von Infektionskrankheiten zu erreichen – wie auch von der WHO gefordert – sei auch die aktive Teilnahme von Migranten an Impfprogrammen unerlässlich, appelliert Univ. Prof. Dr. Ursula Wiedermann-Schmidt, Vorstand des Instituts für Spezifische Prophylaxe und Tropenmedizin an der Medizinuniversität Wien und Vorsitzende des Nationalen Impfgremiums. Wiedermann-Schmidt: „Spezielle Impfprogramme für Migranten müssen zukünftig ein wichtiger Pfeiler in der Präventionsmedizin sein.“

Beispiel Masernvirus: Wie in den USA könnten Masern in Europa längst ausgerottet sein, wären da nicht neben der wachsenden Zahl der impfmüden Personen und hartnäckigen Impfverweigerer auch die Gruppe der Migranten mit ungenügender Impfversorgung. Eine Erhebung der Durchimpfungsraten bei Personen mit Migrationshintergrund (vorwiegend Türkei, Ex-Jugoslawien) ergab eine Impfabdeckung gegen bedeutsamen Infektionen wie Grippe, Tetanus, Diphtherie, Polio, FSME und Hepatitis A, B zwischen 12 und knapp über 40 %.

Vermehrte Aufklärung tut not. Auch in der Gruppe der „visting friends and relatives“ (= Personen mit Migrationshintergrund der 2. oder 3. Generation, die Verwandtenbesuche in ihr ursprüngliches Heimatland tätigen) fehlt es an Bewusstsein. Das zeigt sich u.a. am Beispiel der Hepatitis A: Sie wird durch verschmutztes Wasser und verunreinigte Lebensmittel übertragen und vermehrt von Personen mit Migrationshintergrund auf Heimaturlaub aus ihren Ursprungsländern als unliebsames „Souvenir“ mitgebracht. Impfexperten fordern nun gezielte gesundheitspolitische Maßnahmen, die Prof. Wiedermann-Schmidt in einem Sieben-Punkte-Programm aufgelistet:

1. Erhebung des Impfschutzes bei Migranten
2. Staatlich finanzierte „Catch up“- Impfprogramme für Kinder und Erwachsene
3. Klar definierte Impfprogramme für Migranten im Österreichischen Impfplan
4. Aufklärungsbögen in verschiedenen Sprachen
5. Schulimpfprogramme für Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund
6. Impfversorgung der Eltern im Rahmen der Mutter-Kindpaßuntersuchungen
7. Eigene Impfstellen für Migranten im ambulanten Bereich

Die Apothekerkammer verweist in diesem Zusammenhang auf etliche Apothekenmitarbeiter mit Migrationshintergrund. Im Zuge eigener Migranten-Impfprogramme könnten sie eine hilfreiche Rolle spielen. „In den österreichischen Apotheken werden viele Sprachen gesprochen. Wir sind jetzt schon eine wichtige Anlaufstelle für Migranten. Der hohe Frauenanteil in den Apotheken schafft zusätzlich ein starkes Vertrauen“, betont Mag. pharm. Dr. Christiane Körner, Apothekerin und Vizepräsidentin der Österreichischen Apothekerkammer.

Impfbeteiligung: Aktuelle Trends – Geringe Durchimpfung bei Schulimpfungen

Während die Impfsituation bei Migranten stark verbesserungswürdig ist, zieht das Bundesministerium für Gesundheit bei den Gratis-Impfprogrammen eine positive Bilanz: So wurde 2011 bei Rotaviren eine bleibend hohe Impfbeteiligung von 84 % registriert und die Masern-Mumps-Rötelimpfung war mit einer Beteiligung von 98 % bei der Erstimpfung (MMR1) und mit 86 Prozent bei der Zweitimpfung (MMR 2) ebenfalls hoch. Bei der Pneumokokkenimpfung wurden so gut wie alle Hochrisikokinder geimpft. Und die Ausweitung der Gratisimpfung auf alle Kinder im Jahre 2012 ist gut angelaufen.

„Für heuer lässt sich erfreulicherweise erstmals ein Aufwärtstrend auch bei Schulimpfungen prognostizieren“, erklärt Dr. Pamela Rendi-Wagner, Leiterin Sektion III – Öffentliche Gesundheit und Medizinische Angelegenheiten im Bundesministerium für Gesundheit. Auch die neu im Programm befindliche Impfung gegen Meningokokken (mit 4 Stämmen) wird gut angenommen. Rendi-Wagner führt diese positive Entwicklung unter anderem auf die verstärkte Information und die seit 2011 bundesweit online verfügbaren Impf-Aufklärungsmaterialien zurück.

Im letzten Jahr lagen die Werte bei Diphtherie-Tetanus-Pertussis im Bundesschnitt bei 55%, bei Diphtherie-Tetanus-Pertussis-Poliomyelitis bei 63,5 % und bei Hepatitis B bei etwa 62%, allerdings mit großen regionalen Unterschieden.

Geringe Impfmoral bei Erwachsenen

„Warum vergessen wir so gerne auf das Impfen?“, fragt sich Prim. Univ. Prof. Dr. Wolfgang Popp, Abteilungsvorstand der 11 Medizinischen Abteilung mit Lungenkrankheiten und Langzeitbeatmungszentrum im Geriatriezentrum Am Wienerwald. Ist es die „Freiheit“, die „Selbstbestimmung“, die „Demokratie“, das Gefühl „Mitzureden“, oder wollen wir die möglichen Gefahren gar nicht mehr sehen?“Die Chance in der Lotterie zu gewinnen ist geringer als eine Infektionskrankheit zu bekommen. Trotzdem spielen wir Lotterie und lassen uns nicht impfen“, so Popp und fordert ein Umdenken, das Impfungen als wichtigen Bestandteil eines gesunden Lebens erachtet. Zu den Grundimpfungen gehört nicht nur der Schutz gegen Tetanus, sondern auch gegen Diphtherie, Polio, Keuchhusten, Masern, Mumps, Röteln und FSME. Empfehlenswert ist auch der Schutz gegen Hepatitis A und B, gegen Influenza und für Senioren und Risikogruppen gegen Pneumokokken. Popp: „Jeder Arztkontakt sollte zur Überprüfung des Impfschutzes genutzt und notwendige Impfungen nachgeholt werden.“

Wie lange hält der Schutz bei der „Zeckimpfung“

Die Impfung gegen FSME ist mit einer Durchimpfungsrate von 90 Prozent die am besten akzeptierte Schutzimpfung in Österreich. Die Impfempfehlung sieht vor, dass zur Grundimmunisierung dreimal geimpft wird und die erste Auffrischung nach 3 Jahren erfolgt. Weitere Auffrischungen sind bei Personen unter 50 Jahren nach 5 Jahren und bei Personen über 50 nach 3 Jahren vorgesehen. Aber sind diese Auffrischintervalle tatsächlich notwendig?

Die Arbeitsgruppe Epidemiologie und Reisemedizin am Institut für Spezifische Prophylaxe und Tropenmedizin hat erstmals 200 Probanden auf die Langzeitwirkung von Impfantikörpern untersucht. Vorläufiges Ergebnis: Der Impfschutz nach einer FSME-Auffrischung ist limitiert und die durchschnittliche Schutzdauer geht nicht über 8 Jahre hinaus.

Innerhalb der ersten 3 Jahre nach der Auffrischung verlieren knapp unter 6 % ihre Impfantikörper. „Dieser Befund ist bemerkenswert, denn es gilt als allgemein akzeptiert, dass für drei Jahre auf jeden Fall Schutz besteht, denn darauf gründet sich die Auffrischempfehlung“, so Univ.-Prof. Dr. Herwig Kollaritsch, Leiter Epidemiologie und Reisemedizin am Institut für Spezifische Prophylaxe und Tropenmedizin an der Medizinuniversität Wien. Zwischen dem 3. und dem 8. Jahr nach der Affrischung verlieren nur 2,5% der Untersuchten ihren Impfschutz. Damit wird deutlich, dass in diesem Zeitraum die Antikörperabklingquote überaus niedrig ist. Zwischen dem 8. und dem 10. Jahr nach der letzten Auffrischung verlieren über 10% die Impfimmunität.

Impfaktionen in den Apotheken

Apothekerinnen und Apotheker beraten die Bevölkerung zu allen Impfungen und Auffrischungen und tragen mit Impfaktionen dazu bei. dass die Durchimpfungsraten in Österreich hoch bleiben. „Vielen Menschen ist gar nicht bewusst, dass die Schutzimpfungen zu den größten Errungenschaften der modernen Medizin zählen und dass viele schlimme Seuchen wie Pocken oder Keuchhusten durch Impfungen ausgerottet wurden“, sagt Apothekerkammer-Vizepräsidentin Körner. „Wir sehen es als unsere gesundheitspolitische Aufgabe, Impfaktionen durchzuführen.“

Von Anfang April bis Ende Mai findet wieder eine zweimonatige Hepatitis-Impfaktion in den Apotheken statt. Die Preise sind – wie bei allen Impfaktionen in den Apotheken üblich – in diesem Zeitraum für Hepatitis A und B deutlich günstiger.

Die Impfaktion gegen FSME (Zecken) läuft noch bis 31. Juli 2012. Am 1. Mai startet für zwei Monate die Auffrischungs-Impfaktion für junge Erwachsene. Dabei schützt eine einzige 4-Fach-Impfung gegen die schweren Infektionskrankheiten Diphtherie, Wundstarrkrampf, Kinderlähmung und Keuchhusten. Von März bis September läuft die Impfaktion gegen Meningokokken.

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