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TIROLER TAGESZEITUNG, Leitartikel: „Versuchskaninchen für ELGA“, von Anita Heubacher

Branchen News vom 10.12.2015

Ausgabe vom 10. Dezember 2015

Innsbruck (OTS)– Die Einführung der Elektronischen Gesundheitsakte ELGA wurde zigmal verschoben und noch immer sind Fragen offen. Das hat das Vertrauen in ELGA nicht gestärkt. Die Lust, sensibelste Daten preiszugeben, ist enden wollend.

Eigentlich hätte die Elektronische Gesundheitsakte (ELGA) am 1. Jänner 2015 in allen Spitälern eingeführt sein sollen. Am Mittwoch startete die Plastikkarte in der Steiermark und in Teilen eines Spitals in Wien. Nach zig Verschiebungen nicht gerade ein fulminanter Start.
Die Einführung von ELGA mit jener der E-Card zu vergleichen, ist eine Farce. Denn während die E-Card einzig eine Schlüsselkarte ist, soll ELGA höchst sensible Daten abrufbar machen. In der Endausbauphase – wenn es wahr ist, 2020 – könnten dann unzählige Ärzte, Apotheker und Teile des Pflegepersonals auf die Patientendaten zugreifen. Eine Vorstellung, die gelinde gesagt ein mulmiges Gefühl hervorruft. An der Art der Medikation lässt sich das Krankheitsbild ablesen. Einmal Antidepressiva geschluckt, für immer aktenkundig? Die Diskussion um ELGA zieht sich in die Länge. Die Zeit konnten die Befürworter nicht nutzen, um die Vorteile der Karte an die Frau oder den Mann zu bringen. Noch immer ist die Ärztekammer nicht von ELGA überzeugt. Und die Patienten? Die werden gar nicht gefragt, ob sie mitmachen wollen, sondern andersrum: Die Patienten müssen sich aktiv abmelden und sind automatisch im System.
Die Kritik von Datenschützern hält unvermindert an. Den Grundstein des Misstrauens dafür hat die Bundesregierung selbst gelegt, indem sie einen dem US-Geheimdienst NSA nahestehenden IT-Dienstleister für die Ausarbeitung der Gesundheitsakte beauftragte. Wie die NSA mit Daten umgeht, hat wohl nicht nur die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel erschüttert. Vertrauensbildende Maßnahmen sehen anders aus. 130 Millionen Euro wurden in ELGA gesteckt, als ob Datenkumulieren das vordergründigste Problem im Gesundheitswesen wäre. Aber ELGA soll das Geld wieder hereinspielen. Doppelbefundungen gehören im ELGA-Land der Vergangenheit an. Das wird rechtlich schwierig. Der Spitalsarzt müsste sich auf den Befund des Facharztes verlassen, dessen Befund im schlimmsten Fall schon ein paar Tage alt ist. Damit werden Spitalsträger, die Absicherungsmedizin großschreiben, ein Problem haben: Wer ist dran, wenn der Patient unter Umständen klagt?
Rund 225.000 Österreicher haben sich von ELGA abgemeldet. Das sind wenige. Umso mehr probieren ELGA jetzt einmal aus, und sollten Skeptiker nach Jahren zur Erkenntnis kommen, dass ELGA für die Gesundheit wichtig ist, können sie sich jederzeit wieder anmelden.

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