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Medikamentensicherheit: Wechselwirkungen dramatisch

Branchen News vom 14.05.2012

Apothekerkammer-Präsident Burggasser fordert sofortige Einführung der e-Medikation

Wien (OTS) – Die Zahl der täglich einzunehmenden Medikamente steigt mit dem Alter naturgemäß an. Fast zwei Drittel der abgegebenen Arzneimittelpackungen gehen an Senioren, die häufig Medikamente miteinander kombinieren müssen. Dabei kann es oftmals zu unerwünschten und teils gefährlichen Neben- und Wechselwirkungen kommen. Die Apothekerschaft warnt vor dem unsachgemäßen Gebrauch von Medikamenten. Präsident Burggasser fordert die sofortige Einführung der e-Medikation, um die Medikamentensicherheit zu erhöhen. Ein Besuch in der Apotheke kann somit Leben retten.

Gesundheitsmarkt: Gefährliche Entwicklungen

Die Begehrlichkeiten des vermeintlich schnellen Geschäfts mit Medikamenten sind groß. Internetunternehmen beliefern Österreich per Versand mit Arzneimitteln, online-Ärzte verordnen Rezepte ohne persönliches Gespräch und Supermärkte setzen auf das neue Geschäftsmodell „Gesundheit“. Dabei bleibt eines auf der Strecke: Die Medikamentensicherheit. Das Finanzministerium gibt in seinem aktuellen Produktpirateriebericht bekannt, dass alleine der österreichische Zoll im Jahr 2011 exakt 41.589 gefälschte Medikamente sichergestellt hat, das ist mehr als doppelt so viel als noch im Jahr zuvor. Österreich steht nun an einem Scheideweg: Medikamente gezielt und bewusst so einsetzen, dass sie optimal wirken oder  Medikamente ohne Beratung an jeder Straßenecke. Die größte gesundheitliche Gefahr bei der unkontrollierten Abgabe von Medikamenten sind die dramatisch unterschätzten Wechselwirkungen. „Denn wer braucht Medikamente? In erster Linie Senioren. 36 Prozent aller über 60-jährigen in Österreich nehmen mehr als neun verschiedene Medikamente“, warnt Univ.Prof. Mag. Dr. Eckhard Beubler, ehem. Vorstand am Institut für Experimentelle und Klinische Pharmakologie der Medizinischen Universität Graz. Hier sind Wechselwirkungen vorprogrammiert. Bei fünf Medikamenten treten laut Studien mit fünfzigprozentiger Sicherheit eine Interaktion oder Nebenwirkung ein, bei acht mit hundertprozentiger Sicherheit.

Wechselwirkungen dramatisch

Wechselwirkungen zwischen Arzneimitteln können schwere bis tödliche Folgen nach sich ziehen. In Deutschland spricht man von 20.000 Arzneimittel-Toten pro Jahr. Gerade auch im Bereich der rezeptfreien Medikamente (OTC-Präparate) können bei geläufigen Schmerzmitteln mit den Wirkstoffen Acetylsalicylsäure, NSAR (nicht steroidale Antirheumatika) oder bei analgetischen Kombinationspräparaten massive Wechselwirkungen auftreten. Aber auch Protonenpumpenhemmer, Johanniskrautpräparate und Ginkgopräparate verursachen gesundheitliche Probleme, wenn sie falsch kombiniert werden. In der Apotheke gibt der fachkundige Apotheker im Rahmen eines Beratungsgesprächs wichtige Hinweise, wie diese Wechselwirkungen vermieden werden können oder empfiehlt alternative Präparate.

Studie: Senioren bevorzugen die Apotheke

Beratung in der Apotheke nimmt speziell für Senioren einen wesentlichen Stellenwert ein. Laut einer Studie von Karmasin Motivforschung (n=400 telefonische Interviews mit ÖsterreicherInnen über 60 Jahren, Erhebungszeitraum: 7.-10.5.2012) nehmen 41 Prozent der Senioren zumindest einmal pro Monat Beratung in der Apotheke in Anspruch. 77 Prozent schätzen an der Apotheke vor allem die Möglichkeit in einem persönlichen Gespräch individuelle Fragen stellen zu können. Die Apotheke vermittelt somit für 85 Prozent ein Gefühl der Sicherheit im Vergleich zu anderen Bezugsstellen von Medikamenten. Ein Drogeriemarkt, der rezeptfreie Medikamente anbietet, könnte daher eine Apotheke nicht ersetzen. Individuelle Beratung spielt auch in Hinblick auf Wechselwirkungen eine große Rolle. Knapp drei Viertel (74 Prozent) der Befragten geben an, sich beim Kauf von Medikamenten aktiv über Wechselwirkungen zu informieren.

Die Blutung als gefährlichste Neben- bzw. Wechselwirkung

„Die häufigste, gefährliche Arzneimittel- Neben- bzw. Wechselwirkung ist die Blutung“, so Beubler. Drei Viertel aller Arzneimittel bedingten Todesfälle sind auf Blutungen zurückzuführen. (Der arzneimittelbedingte Todesfall liegt immerhin an fünfter Stelle hinter Herzinfarkt, Schlaganfall, Krebserkrankung und Lungenerkrankung.) Dem entsprechend sind Arzneimittel mit Wirkung auf die Blutgerinnung auch im Zusammenhang mit OTC-Medikation besonders zu beachten. Es sind dies vor allem Acetylsalicylsäure (ASS) und andere NSAR (Schmerzmittel), Antidepressiva, Protonenpumpenhemmer (Magenschutz) und u.U. Ginkgopräparate (Durchblutung). Viele von diesen Medikamenten sind rezeptfrei und auf der „Wunschliste“ der Drogerie- und Supermärkte.

Apotheker für mehr Medikamentensicherheit

Die Apothekerschaft geht nun den Schritt nach vorn und warnt vor den bedenklichen Entwicklungen. Noch gibt es in Österreich keine Medikamentenfälschung in den Apotheken, noch können wir auf Grund unserer hohen Beratungsfunktion arzneimittelbezogene Erkrankungen in Zaum halten. Allerdings stehen wir nun in Österreich an einer Wegkreuzung: Denn die Arzneimittelsicherheit muss weiter verbessert und erhöht werden und nicht durch unkontrollierte Abgabe vermindert. „Die zahlreichen Beispiele zu unterschätzten Wechselwirkungen, zu fehlgeschlagenen Deregulierungsmaßnahmen lassen uns aufhorchen: Weniger Arzneimittelsicherheit, weniger Kundenzufriedenheit, weniger Versorgungssicherheit kann doch nicht der Weg für Österreich sein!“ so Mag.pharm. Heinrich Burggasser, Präsident der Österreichischen Apothekerkammer

Burggasser fordert e-Medikation

„Ich stehe für mehr Medikamentensicherheit. Ich stehe für Beratungsqualität in der Apotheke. Jede Apotheke kann den Kunden über die richtige und korrekte Einnahme seiner Medikamente beraten. Um dem Problem der Wechselwirkungen allerdings flächendeckend Herr zu werden fordere ich die sofortige Umsetzung der e-Medikation für die Sicherheit aller unserer Patienten“, engagiert sich Mag.pharm. Heinrich Burggasser für mehr Medikamentensicherheit. Seit Jahren werden Software-Lösungen getestet, die Medikamentendaten kombinieren. Die Apothekerschaft hat von Beginn an mitgearbeitet und mit dem Arzneimittel-Sicherheitsgurt in Salzburg Pionierarbeit geleistet. „Es gibt kein gesundheitlich sinnvolles Argument gegen die e-Medikation. Sie gehört eingeführt und umgesetzt. Wenn die anderen Partner im Gesundheitssystem nicht mit im Boot sind oder politischer Widerstand zwischen Parteigrenzen nicht überwunden werden kann, dann werden wir die e-Medikation mit unseren Möglichkeiten eben wieder alleine umsetzen“, so Burggasser.

Patientenanwalt unterstützt Apothekerinitiative

Dr. Gerald Bachinger, Sprecher der Patientenanwälte Österreich, zeigt sich erfreut über den Vorstoß der Apothekerschaft zu mehr Medikamentensicherheit. „Die Forderung nach mehr Medikamentensicherheit ist wichtig und richtig und kommt zum perfekten Zeitpunkt.“ Patientensicherheit und Qualität sind die obersten Anliegen von Bachinger. „Punkto Medikamentensicherheit ist Feuer am Dach und es ist absolut unverständlich, dass bei der Umsetzung der e-Medikation soviel Zeit verloren geht. Zeit, in der die Gesundheit und das Leben der Patienten täglich gefährdet sind.“  „Ich finde es großartig, dass sich die Apotheker bereit erklären, die e-Medikation im Ernstfall auch alleine umzusetzen. Aus einem sehr erfolgreichen Projekt der französischen Apotheker wissen wir, dass auch ein Alleingang der Apotheker für die Patienten sinnvoll ist,“ so Bachinger.

Apotheken klären über Wirkung und Risiken auf

In den über 1.310 Apotheken in Österreich kann jeder Patient kontrollieren lassen, ob und wie die einzunehmenden Medikamente kombinierbar sind. Die Beratungskompetenz der 5.700 Apothekerinnen und Apotheker ist eine der zentralen Leistungen und sollte unbedingt auch in Bezug auf Arzneimittelwechselwirkungen in Anspruch genommen werden.