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Landmedizin: Immer weniger Bewerber überlegen immer länger

Branchen News vom 28.02.2013

Landarzt: Hohe Anforderungen, geringer Anreiz

Wien (OTS) – Immer weniger Jungmediziner bewerben sich um Landarztstellen. Immer mehr springen ab, sobald sie sich ein Bild von den Lebens- und Arbeitsbedingungen am ausgeschriebenen Standort gemacht haben. Ursachen und mögliche Lösungen dieses Problems legte die Österreichische Ärztekammer (ÖÄK) am Mittwoch bei einem Pressegespräch zur Situation und Zukunft der Landmedizin dar.

Pensionierungswelle

Laut ÖÄK sind in Österreich derzeit 1563 Landärzte tätig, das sind icht weniger als 40 Prozent aller Kassen-Allgemeinmediziner. Sie ind für die hausärztliche Versorgung von 43 Prozent der Bevölkerung erantwortlich – noch. Denn gehe man vom Regelpensionsalter aus, ürde in den nächsten zehn Jahren mehr als die Hälfte der Landärzte ensionsbedingt ausfallen. Um Nachfolger ringe man in allen undesländern: Landarztstellen müssten inzwischen mehrfach und häufig uch österreichweit ausgeschrieben werden; oft finde sich auch dann nur ein einziger Bewerber.

Unterversorgung der alternden Landbevölkerung

Dabei ist die Landbevölkerung durch demografische Veränderungen ganz besonders betreuungsbedürftig. „Auf dem Land ist die steigende Anzahl alter oder chronisch kranker Menschen noch viel mehr auf den Hausarzt im Ort angewiesen als in urbanen Gebieten. Denn die Jungen arbeiten meist auswärts oder sind längst in die Stadt gezogen – sie können die Fahrt zum Arzt und auch die weitere Versorgung ihrer Angehörigen oft nicht organisieren“, gab ÖÄK-Präsident Artur Wechselberger zu bedenken. Der Landarzt komme somit nicht nur im Notfall ins Haus, sondern auch zu Routineuntersuchungen und -behandlungen.

Rund tausend Hausbesuche absolviere ein Landarzt pro Jahr, sagte der Obmann der Bundessektion Allgemeinmedizin und approbierte Ärzte, Gert Wiegele. Der typische Landarzt habe im Schnitt jede zweite Nacht und jedes zweite Wochenende Bereitschaftsdienst, der meist in die normale Ordinationszeit münde. Wiegele: „Das geht mit den Jahren an die Substanz. Insbesondere, wenn man die Distanzen am Land bedenkt: Meist sind es zehn Kilometer bis zum Patienten, aber auch Hausbesuche bei 20 bis 30 Kilometer entfernten Patienten sind keine Seltenheit.“ Zusätzlich haben Landärzte laut ÖÄK oft Funktionen zu erfüllen, die nicht angemessen abgegolten werden, wie etwa als beratendes Organ der Gemeinde in Fragen der medizinischen Versorgung. Ärztliche Dienste für Feuerwehr oder Bergrettung werden meist ehrenamtlich geleistet. Zusammen mit dem stetig wachsenden bürokratischen Aufwand ergibt das eine durchschnittliche Wochenarbeitszeit von 70 bis 80 Stunden.

Geringer Anreiz

„Zynisch könnte man sagen: Wer bei den heutigen Bedingungen und Kassentarifen Landarzt wird, ist im besten Fall ein Idealist“, sagte der Obmann der Bundeskurie Niedergelassene Ärzte, Johannes Steinhart. Verschärft werde die wirtschaftliche Situation der Landärzte durch strengere Regelungen bei den Hausapotheken, die für viele einen unverzichtbaren Einkommensbestandteil darstellen: Ab Jahresende dürfen Landärzte in Gemeinden, in denen eine öffentliche Apotheke aufsperrt, ihre Hausapotheke nur noch drei Jahre weiterführen, eine Weitergabe ist nicht erlaubt. Für solche Praxen Nachfolger zu finden, sei quasi unmöglich, so Steinhart. Zudem seien in vielen Bundesländern infolge gesetzlicher Änderungen mögliche Zusatzverdienste, wie etwa die Tätigkeit als Sprengel- oder Schularzt, abhandengekommen. Aufgrund des größeren Aufgabenspektrums seien darüber hinaus die Investitionskosten bei einer Landarztpraxis höher als in der Stadt.

Forderungen der ÖÄK zur Stärkung der Landmedizin

Für ÖÄK-Präsident Wechselberger sei es „fünf vor Zwölf, wenn es um die Sicherstellung der medizinischen Versorgung auf dem Land geht“. Er hoffe, dass die Gesundheitsreformer rasch Maßnahmen zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen von Landärztinnen und  -ärzten setzen, damit sich auch in Zukunft Jungmediziner für diesen Beruf entscheiden. „Es ist nur legitim, dass sich auch junge Ärztinnen und Ärzte nach einer langjährigen Ausbildung genau überlegen, ob sie mit einer Landarztpraxis überhaupt in der Lage sein werden, eine Familie finanziell zu erhalten, die Betreuung der Kinder und deren Schulausbildung zu organisieren und Arbeit und Freizeit so auszugleichen, wie es ihren Vorstellungen entspricht“, so Wechselberger. Umso notwendiger seien daher leistungsgerechte Honorarsysteme und flexible Arbeitszeitmodelle, damit sich Jungmediziner auf den zweifellos auch sehr erfüllenden Beruf des Landarztes wieder verstärkt einlassen.

Konkret forderten die Vertreter der Ärztekammer:

  • leistungsgerechte Vergütungssysteme
  • flexible Arbeitszeitmodelle
  • geregelte und zumutbare Bereitschaftsdienste am Wochenende und in der Nacht
  • liberale Formen der Zusammenarbeit
  • Kinderbetreuung
  • Unterstützung bei der Organisation von Ordinations- und Wohnraum
  • Sicherstellung bestehender und Einrichtung neuer Hausapotheken
  • weniger Bürokratie
  • Förderung von Lehrpraxen
  • ungestörte ärztliche Therapiefreiheit (ar)