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„Bittere Pillen“ – Die Neuregelung bei den ärztlichen Hausapotheken

Branchen News vom 15.09.2017

Innsbruck (OTS) – Die Neuregelung bei den ärztlichen Hausapotheken wirkt, um im passenden Jargon zu bleiben, wie ein politisches Placebo. Wie bei vielen Reformen davor ist die Politik vor engstirnigen standespolitischen Anschauungen eingeknickt.

Hausapotheken sind sicher nicht die Antwort auf den akuten Mangel an Landärzten. Zuletzt blieben erneut sechs ausgeschriebene Stellen für Allgemeinmediziner in Tirol unbesetzt. Trotzdem schafft die Apotheke in der Ordination finanzielle Anreize für Mediziner, auch auf dem Land eine Praxis zu eröffnen. Gleichzeitig ist sie patientenfreundlich.

Doch in der Heilkunde treffen zwei in der Sache knallharte Interessenverbände aufeinander: die Ärzte- und die Apothekerkammer. Beide vertreten ihre Klientel, eine davon befürchtet Einbußen, die andere will den Beruf des Hausarztes attraktiver machen. Für beides gibt es Argumente, doch letztlich ist „Vurschrift“ in Österreich „Vurschrift“.

Veränderungen und Reformen scheitern meist an engstirnigen standespolitischen Anschauungen. Deshalb sind die Heilungschancen sehr gering. Wegen der altbackenen „Vurschriften“ mussten in den vergangenen zehn Jahren österreichweit 150 Hausapotheken geschlossen werden. Die Neuregelung im Vorjahr wurde zwar als Erfolg gefeiert, ist aber nicht gerade erfolgversprechend. Lediglich zwei Hausapotheken wurden bei der Praxisübergabe hierzulande erhalten. Der Minimalkompromiss wurde durch die Stichtagsregelung vom 1. Mai 2015 ausgehebelt.

Und mit dieser bitteren Pille hat die Apothekerkammer den kilometermäßig aufgeweichten Gebietsschutz durch die Hintertür für die Vergangenheit wieder einzementiert. Und die 150 verlorenen Hausapotheken bleiben für immer Geschichte. Vielleicht hält der Verfassungsgerichtshof der mutlosen Politik wieder einmal den Spiegel vor. Das ist nämlich das eigentliche Problem im häufig kritisierten Kammerstaat Österreich. Die Interessengruppen regieren zu oft in die Politik hinein, gleichzeitig scheuen die politisch Verantwortlichen vor eigenständigen Entscheidungen zurück; um die Sozialpartner ja nicht zu vergrämen. Wobei die zweite Wahrheit in den personellen Verflechtungen liegt. Viele Abgeordnete in den gesetzgebenden Körperschaften sind klassische Kämmerer und denken auch in diesen Interessenkategorien.

Meist kommen dann lauwarme Kompromisse wie das aktuell auf dem Prüfstand stehende Reförmchen bei den ärztlichen Hausapotheken heraus. Dass die Politik bei der notwendigen Gesundheitsreform, die Therapieansätze gegen den Ärztemangel enthalten soll, nur millimeterweise vorankommt, ist letztlich ebenfalls auf ein starres Interessensystem zurückzuführen: Sozialversicherungen, Ärztekammer und parteipolitisch motivierte Ideologien. Wie auch in der Bildungspolitik. Und, und, und …

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