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2014 steht vor der Tür: Die Gesundheitsreform kann kommen!

Branchen News vom 18.12.2013

„Best Point of Service“ ist das Motto der Zielsteuerungsverträge zur Gesundheitsreform, die im kommenden Jahr anlaufen. Was können wir von diesen Verträgen erwarten?

Wien (OTS) – Im Juni 2013 wurde von den Vertretern des Bundes, der Länder und des Hauptverbandes der Sozialversicherungsträger der Bundes-Zielsteuerungsvertrag unterzeichnet. Dieser Vertrag, der aus Sicht der Ärztekammer für NÖ fälschlicherweise von vielen schon als „Gesundheitsreform“ bezeichnet wird, ist zunächst einmal nichts anderes als eine Absichtserklärung aller Beteiligten, das bestehende Gesundheitssystem gemeinsam weiterzuentwickeln. So wird unter anderem das gemeinsame Zukunftsbild definiert. Es wird klargestellt, dass die Primärversorgung flächendeckend umgesetzt werden soll. „Das deckt sich durchaus mit der langjährigen Forderung der Ärzteschaft nach einer Stärkung des niedergelassenen Bereichs. Doch wer weiß wirklich, wie die Verantwortlichen Primärversorgung definieren?“, hinterfragt der Präsident der NÖ Ärztekammer, Dr. Christoph Reisner, MSc, die Absichten der Politik. Ausständig sind noch immer ein Teil der Landeszielsteuerungsverträge, unter anderem auch der aus Niederösterreich.

Auf der Suche nach dem „Best Point of Service“

Im Zielsteuerungsvertrag ist erstmalig vom „Best Point of Service“ die Rede. Aus derzeitiger Sicht ist jedoch nicht herauszulesen, auf wen oder was sich das „Best“ bezieht. Ist es die Vorgabe, das Beste für die Politiker, für die Sozialversicherungen, für die lobbystarken Gesundheitsdienstleistungsanbieter zu wollen? Oder gar das Beste für die Patientinnen und Patienten? Man will abgegrenzte, klare Versorgungsaufträge (inhaltlich und zeitlich, insbesondere auch für Tagesrand- und Wochenendzeiten) und Rollenverteilungen für alle Versorgungsstufen und für die wesentlichen Anbieter innerhalb der Versorgungsstufen bis Mitte 2015 mit Blick auf „Best Point of Service“ definieren und bis Ende 2016 erste Umsetzungsschritte auf Landesebene setzen.

Ein operatives Ziel des Zielsteuerungsvertrages lautet: Multiprofessionelle und interdisziplinäre Primärversorgung bis Mitte 2014 konzipieren und bis 2016 auf Landesebene umsetzen. Ist das nicht ein Widerspruch in sich? Wenn man nach Definitionen für „Primary Health Care“ sucht, landet man unter diesem Begriff immer wieder beim Hausarzt, bei Hausarztmodellen und/oder der wissenschaftlichen Erkenntnis, dass je besser ein Hausarztsystem funktioniert, desto besser und auch billiger funktioniert die medizinische Versorgung innerhalb eines Gesundheitssystems. Müssen wir dieses System neu erfinden? „Wir haben meines Erachtens in Österreich ein gut funktionierendes System, innerhalb dessen die klassischen Hausärztinnen und Hausärzte bereits heute mehr als 50 Prozent aller Behandlungsfälle abwickeln. Was noch fehlt, sind einerseits Steuerungsmechanismen, die es für die Patientinnen und Patienten attraktiv machen, den Einstieg ins System über die Primärversorgung zu suchen. Und wir brauchen zeitgemäße Leistungskataloge, mit Hilfe derer man alle medizinischen Möglichkeiten der hausärztlichen Ordination fair bewertet und somit als Steuerungsinstrument tauglich macht. Doch ich befürchte, dass genau das nicht gemeint ist, wenn man das vorliegende Papier in Bezug auf Primary Care durchforstet“, zeigt sich Präsident Dr. Reisner skeptisch.

Umfrage unter rund tausend Patienten zu ihren Vorstellungen
zum Best Point of Service

Was denken eigentlich die Betroffenen? Die NÖ Ärztekammer hat rund 1.000 Patientinnen und Patienten in Niederösterreich über ihre Ansichten zur Primärversorgung unter dem Blickwinkel des Best Point of Service befragt. Der Kurienobmann der niedergelassenen Ärzte und Vizepräsident der NÖ Ärztekammer, MR Dr. Dietmar Baumgartner, fasst das Ergebnis zusammen: „Es ist eindeutig: Die Bevölkerung in Niederösterreich über alle Altersgruppen hinweg und in allen Gemeindegrößen wünscht sich ein wohnortnahes Basisversorgungsmodell mit freiberuflichen, niedergelassenen Allgemeinmedizinerinnen und Allgemeinmedizinern in Einzelordinationen, mit eigener und freier Auswahl durch die Patientinnen und Patienten.“ Die Ärztinnen und Ärzte sollen im Rahmen eines „Vertrauensarztmodells“ arbeiten und alle Belange rund um die Grundversorgung inklusive Visiten abdecken. Damit verbunden ist auch der Wunsch, dass der Hausarzt den Überblick über sämtliche Befunde und die Medikation hat, was im Umkehrschluss die Einführung der elektronischen Gesundheitsakte in Frage stellt. Der Wunsch nach einer Abgabemöglichkeit für rezeptpflichtige Medikamente durch Ärztinnen und Arzte ist vorhanden, sogar überproportional ausgeprägt bei der jüngeren Generation. „Ein Bedürfnis nach Versorgungszentren oder erweiterten Öffnungszeiten in Einzelpraxen lässt sich aus diesem Ergebnis nicht ableiten“, zeigte sich MR Dr. Baumgartner überrascht, wird doch gerade dieser Punkt sehr oft als zentrale Forderung der Bevölkerung dargestellt.

Ärzteschaft ist erfreut: Auch Medikamentenversorgung soll sich
am Best Point of Service orientieren

Im Bereich „Versorgungsprozesse“ des Bundeszielsteuerungsvertrags stößt man auf folgendes Ziel: „Behandlungs- und Versorgungsprozesse inklusive der Versorgung mit Medikamenten sektorenübergreifend am Patientenbedarf und am „Best Point of Service“ orientieren“. Während man aus Patientensicht durchaus darüber diskutieren kann, wo in Sachen Behandlung der oft erwähnte „Best Point of Service“ wirklich stattfindet, ist die Frage in Bezug auf Medikamente für Präsident Dr. Reisner ganz klar und deutlich zu beantworten: „Der „Best Point of Service“ ist immer möglichst nahe am Behandler beziehungsweise am Verschreiber. Dieses Ziel ist für den niedergelassenen Bereich daher ganz klar mit einem Bezugsrecht des Patienten in Ordinationen und bei Visiten in Verbindung zu bringen.“

Die Abgabe rezeptpflichtiger Medikamente ist nämlich grundsätzlich als gleichwertig zu betrachten, egal ob sie in Ordinationen, bei Visiten oder in Apotheken stattfindet. Apotheker können und dürfen keinerlei Abänderung der Rezeptur vornehmen. Selbst Abänderungen nach allfälligen Interaktionsprüfungen sind nicht möglich, das ist per Gesetz ausschließlich Aufgabe der Ärzteschaft. Daher hat diese auch die alleinige Verantwortung zu tragen. Die Dienstleistung der Apotheker im Bereich rezeptpflichtiger Medikamente betrifft ausschließlich die Abgabe. Und das können Ärzte auch. „Somit wären also die Wegzeit, Wartezeit und die Kosten auch ein Kriterium im Rahmen der Beurteilung des Best Point of Service.“ Die Kostensituation ist eindeutig: Egal wie man das konzipieren würde, wäre eine Abgabe in der Ordination sicher nicht teurer. Ärztliche Hausapotheken machen es vor: Dort ist die Medikamentenabgabe billiger als in öffentlichen Apotheken. Präsident Dr. Reisner zieht daher folgenden Schluss: „Es zählt also nur der Service am Patienten. Und solange nicht neben jeder Ordination eine öffentliche Apotheke rund um die Uhr geöffnet hat, ist es geradezu grotesk, kranken und immobilen Patientinnen und Patienten lange unnötige Wege zuzumuten.“