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Macht Impfen resilient oder resistent?

Branchen News vom 12.03.2019

Wien (OTS) – Der 10. NÖ Impftag, der am 16. März in St. Pölten stattfindet, wird sich intensiv mit der Rolle von Schutzimpfungen als Resilienzfaktor auseinandersetzen. Es werden unterschiedliche Aspekte von Resilienz und Resistenz in der Vakzinologie beleuchtet und den Teilnehmerinnen und Teilnehmern praktische, relevante Handlungsempfehlungen mitgegeben werden.

Der Initiator des NÖ Impftags, Prim. Univ-Prof. Dr. Karl Zwiauer, Mitglied des Impfgremiums des Gesundheitsministerium, erklärt die Entscheidung für das heurige Thema „resilienz & resistenz“ folgendermaßen: „Impfungen leisten einen außerordentlichen Gesundheitsbeitrag und werden immer mehr als wesentlicher Faktor der Resilienz, also der gesundheitlichen Widerstandsfähigkeit, verstanden, Durch die Ablehnung von Impfungen fehlt allerdings in vielen Staaten Europas diese Impfresilienz. Es stellt sich daher für viele Gesundheitssysteme die Frage, wie wir diese steigern und in den nächsten Jahrzehnten die wertvollen Effekte von Impfungen ausschöpfen können.“

Anders als frühere Definitionen von Resilienz, die diese ausschließlich als statische, inhärente Persönlichkeitseigenschaft sahen, knüpfen neuere Modelle an die Vorstellung einer veränderbaren Konstellation interner Ressourcen an. „Der Begriff Resilienz, ursprünglich aus der Psychologie kommend, hat in den letzten Jahren das Konzept der Salutogenese – das sich auf gesundheitsrelevante Faktoren und dynamische Wechselwirkungen bezieht, die zur Entstehung und Erhaltung von Gesundheit führen – ergänzt und erweitert. Gesundheit wird damit nicht als Zustand, sondern als dynamischer Prozess verstanden und Risiko- und Schutzfaktoren stehen in einem Wechselwirkungsprozess“, veranschaulicht Zwiauer.

Gesellschaftliche Resistenzen gegen Impfungen führen zu niedrigen Durchimpfungsraten

Durch höhere Durchimpfungsraten würden sich z.B. Krankenhausaufenthalte und Arbeitsausfälle verringern lassen, was sich wiederum wirtschaftlich und gesellschaftlich positiv auswirken würde. „Impfen bringt persönlichen und gesellschaftlichen Nutzen und ist die effektivste und kostengünstigste Maßnahme, sich vor gewissen Krankheiten zu schützen. Liegt die Durchimpfungsrate hoch, sind auch Menschen geschützt, die sich nicht impfen lassen können, wie z.B. Babys und kleine Kinder oder auch immungeschwächte Personen“, führt der Impfreferent der Ärztekammer für Niederösterreich, OA Dr. Robert Weinzettel an und bedauert: „Gesellschaftspolitisch stehen Impfungen aber weltweit in einem zunehmenden Spannungsfeld und verursachen bei manchen Bevölkerungsgruppen Resistenzen. Die Gruppe der Impfskeptiker und Impfgegner wächst leider seit Jahren weiter an. Eine der Hauptursachen dafür ist die Verbreitung verdrehter Fakten, inkorrekt interpretierter Studien und gezielter Falschinformationen über das Internet. Die Theorien der Impfgegner machen heute viel schneller die Runde als früher und die Menschen lassen sich durch das geschriebene Wort sehr leicht verunsichern.“

Die derzeitige Masernepidemie in Europa zeigt die Auswirkungen von Widerständen gegen die Impfung und somit die Folgen fehlender Impfresilienz in der Bevölkerung. Auch in Österreich waren Impfungen in den letzten Monaten wegen eines Masernausbruchs in der Steiermark wieder häufig Thema in den Medien. Mit Stand 1. März 2019 wurden heuer bereits 58 Masernfälle gemeldet. Im gesamten Jahr 2016 gab es insgesamt um 30 Fälle weniger. Ursache für das Problem ist die zu geringe Durchimpfungsrate. Diese lag in Österreich 2017 bei den Zwei- bis Fünfjährigen für die zweite Impfung bei etwa 81 Prozent. In der Altersgruppe der Sechs- bis Neunjährigen lagen die Durchimpfungsraten für die zweite Dosis bei 89 Prozent. Bei den 15- bis 30-Jährigen verfügen nur knappe 70 Prozent über einen kompletten Impfschutz mittels zwei Dosen. Um die Krankheit auszurotten, wären 95 Prozent nötig. In Amerika ist dies mit rigorosen Impfprogrammen gelungen. In Europa werden hingegen jedes Jahr aufs Neue lokale oder auch großräumigere Masernausbrüche verzeichnet.

Priv.-Doz. Mag. Dr. Maria Paulke-Korinek, PhD, DTM, Abteilungsleiterin Impfwesen, Bundesministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz, konstatiert: „Impfen schützt. Überprüfen Sie Ihren Impfstatus jetzt! Wie die aktuelle Masernsituation zeigt, sind die Impflücken in der Bevölkerung hinsichtlich Masern nach wie vor groß. Obwohl die Impfung gegen Masern in Kombination mit Komponenten gegen Mumps und Röteln an öffentlichen Impfstellen für alle Personen kostenfrei zur Verfügung steht, ist großer Nachholbedarf gegeben. Versäumte Impfungen können und sollen in jedem Lebensalter nachgeholt werden. Zukünftig wird es durch den elektronischen Impfpass möglich sein, seinen Impfstatus jederzeit abzufragen, was sicher zur Erhöhung der Durchimpfungsrate beitragen wird.“

Braucht es neben Impfaktionen und Aufklärung auch eine Impfpflicht?

Von Seiten der Apothekerkammer setzt man weiterhin auf Aufklärung und hofft, wie Mag. pharm. Peter Gonda, Präsident der Apothekerkammer Niederösterreich, erläutert, darauf, dass die Impfaktionen von der Bevölkerung angenommen werden: „Es gibt wenige Dinge, mit denen der Einzelne durch eine eigentlich egoistisch motivierte Handlung der Resilienz des Kollektivs annähernd so dienlich sein kann wie mit einer Impfung. Das Paradoxon, dass Menschen gerade mit der Absicht, ihre persönliche Abwehrkraft zu steigern, oft Impfungen verweigern, lässt sich – wie wir leider wissen – als Ganzes nicht auflösen. Gerade aus dieser Perspektive ist jeder Einzelne, der durch unsere Überzeugungsarbeit seine ablehnende Haltung überdenkt, den zu investierenden Aufwand wert. Neben der Bereitstellung der Impfstoffe in ausreichender Menge sehe ich für uns Apotheker in dieser Informations- und Aufklärungsarbeit eine sowohl für das Individuum, als auch für das Kollektiv enorm wichtige Aufgabe. Zudem tragen die Impfaktionen der österreichischen Apotheken dazu bei, die Durchimpfungsraten zu erhöhen. Die Zeckenschutz-Impfaktion dauert noch bis 31. August und die Pneumokokken-Impfaktion bis 31. März an. Während des Aktionszeitraumes werden die Impfstoffe in den Apotheken vergünstigt abgegeben.“

In letzter Zeit wurden die Stimmen, die eine Impfpflicht fordern, lauter. So sprach sich auch die Wiener Ärztekammer für eine indirekte Impfpflicht für Jugendliche unter 14 Jahren aus. Als Sanktionen wurden der Entzug der Familienbeihilfe und der Ausschluss vom Besuch öffentlicher Kindergärten und Schulen diskutiert. MR Dr. Dietmar Baumgartner, Vizepräsident und Obmann der Kurie der niedergelassenen Ärzte der Ärztekammer für NÖ, betont: „Berücksichtigt man die Tatsache, dass speziell gegen Masern in Österreich eine unzureichende Durchimpfungsrate zur Erlangung einer Herdenimmunität besteht, sollte die Diskussion um die Einführung einer generellen Impfpflicht ernst genommen werden. Immerhin erkranken 97 von 100 ungeschützten Personen und einer von 1.000 an Masern Erkrankten überlebt die Masern nicht. Ungarn und die tschechische Republik haben eine solche Impfpflicht. In Österreich bestand übrigens bis zum Jahr 1980, bis zur Feststellung der WHO, dass diese Erkrankung ausgerottet ist, eine Impfpflicht gegen Pocken. Nachdem es sich bei Masern um eine ausschließlich den Menschen betreffende Erkrankung handelt, wäre es theoretisch möglich, diese zu eradizieren. Aufklärung ist natürlich wichtig, allerdings bin ich mir nach jetzt 34-jähriger Tätigkeit als niedergelassener Kassenvertragsarzt für Kinder- und Jugendheilkunde nicht sicher, ob diese ausreicht. Vielleicht könnten Medienkampagnen helfen. Der Erfolg der FSME-Impfung in Österreich ist hier beispielgebend. Bei dieser Erkrankung besteht keine Verpflichtung zum Impfen, allerdings werden ungeimpfte Kinder nicht selten von schulischen Veranstaltungen im Freien, wie z.B. Wandertagen, ausgeschlossen.“

Neben der Resilienz und der „Resistenz“ der Impfgegner wird sich der 10. NÖ Impftag auch mit der Thematik der medizinischen Resistenz beschäftigen. Impfungen sind einerseits ein höchst erfolgreiches Mittel, um Resistenzen in der Medizin zu vermeiden, andererseits stehen sie auch immer wieder unter Verdacht, die Entwicklung von Erregerresistenzen zu begünstigen. „Beim Impftag in St. Pölten werden daher wissenschaftliche Studien im Zentrum des Interesses stehen, die erforschen, ob moderne Impfungen zu Resistenzen führen können, wie dies z.B. bei Antibiotika der Fall ist, oder ob wir durch Impfungen das Virusspektrum verändern und es zur Entstehung aggressiverer Erreger kommt“, kündigt Zwiauer an.

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