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3. Internationaler Tag der Patientensicherheit

Branchen News vom 21.09.2017

Wien (OTS) – Gemeinsam mit dem Aktionsbündnis Patientensicherheit aus Deutschland sowie der Schweizer Stiftung für Patientensicherheit wurde heuer zum dritten Mal der Internationale Tag der Patientensicherheit ausgerufen. In diesem Jahr steht die Aktionswoche ganz im Zeichen der Kommunikation. Österreichweit meldeten 36 Institutionen mit 50 Standorten umfassende Aktionen ein. Im Vorfeld informierten Expertinnen und Experten aus dem Gesundheitsbereich im Rahmen einer Pressekonferenz am Mittwoch über die Initiative „Speak Up!“ und präsentierten Beispiele aus der Praxis.

Mit der Initiative „Speak up! – Wenn Schweigen gefährlich ist“ möchte man einen Beitrag zur Steigerung der PatientInnen- und MitarbeiterInnen-Sicherheit leisten, so Brigitte Ettl, Präsidentin der Österreichischen Plattform Patientensicherheit und ärztliche Direktorin im Krankenhaus Hietzing, in ihrem Eröffnungsstatement. „Speak Up!“ beschreibe eine Form der Kommunikation unter KollegInnen der Gesundheitsberufe, über Berufsgruppen und Hierarchiestufen hinweg. Es gehe darum, zu reagieren und sich gegenseitig anzusprechen, wenn die Sicherheit von PatientInnen und/oder MitarbeiterInnen gefährdet ist oder gefährdet scheint. Auch PatientInnen und deren Angehörige sollen sensibilisiert und motiviert werden, Auffälligkeiten und Missstände anzusprechen.
Die Fehlerquellen im Alltag seien vielfältig. Dazu Ettl: „Unsere Initiative unterstützt Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aller Berufsgruppen und Hierarchiestufen, diese Fehlerquellen zu identifizieren und zu bearbeiten. ‚Speak Up!’ hat zum Ziel, in konkreten Situationen die Sicherheit von Patientinnen und Patienten zu verbessern.“ Dabei gehe es zum Beispiel darum, Kolleginnen und Kollegen auf riskante Verhaltensweisen und Sicherheitsprobleme anzusprechen oder Ideen vorzubringen, um ein Sicherheitsrisiko zu reduzieren. „Als ärztliche Direktorin sehe ich mich täglich mit dem ‚Speak Up!’-Gedanken konfrontiert. Damit diese offene Form der Kommunikation in der Praxis auch tatsächlich funktioniert, muss sie täglich gelebt werden. Dafür haben Führungskräfte zu sorgen“, betonte Ettl.

CIRSmedical.at: Ab sofort auch für Patientinnen und Patienten

„Patientensicherheit geht alle an. Auch Patienten, Angehörige und Außenstehende machen oft Beobachtungen, die für die Behandlungssicherheit wichtig sind. Deshalb sind auch sie aufgerufen, auf solche Beobachtungen hinzuweisen“, sagte Artur Wechselberger, Präsident der Ärztekammer für Tirol und Leiter des Referats für Leitlinien, Patientensicherheit, HTA und Guidelines International Network der Österreichischen Ärztekammer. Dies könne entweder direkt passieren, wenn es die Situation erfordere, oder indirekt über das nationale Fehlermeldesystem www.CIRSmedical.at, das jetzt auch Laien zur Verfügung stehe.

Die Auswertung der Meldungen an CIRSmedical habe gezeigt, dass in den 501 veröffentlichten Berichten der Faktor Kommunikation bei rund 43% verantwortlich für kritische Ereignisse sei. „Wie unsere Analyse ergab, wären von den 214 berichteten Fällen, in denen eine schlechte Kommunikation ein beitragender oder auslösender Faktor war, 21% durch ein gelebtes Teamwork im Sinne von ‚Speak Up!’ wahrscheinlich vermeidbar gewesen“, so Wechselberger.

Kommunikation als tragende Säule der Patientensicherheit

Der Tag der Patientensicherheit und die damit verbundenen Aktionen seien wichtige Instrumente, um sowohl Gesundheitsberufe als auch die Bevölkerung auf unterschiedliche Aspekte der Patientensicherheit aufmerksam zu machen, betonte Gerhard Aigner, Sektionsleiter Recht und Gesundheitlicher Verbraucherschutz im Bundesministerium für Gesundheit und Frauen. „Der Alltag ist in der Medizin von Teamwork geprägt. Dies nicht nur in Krankenanstalten, bereits in Ordinationen arbeiten Assistenz und Arzt/Ärztin eng zusammen. Kommunikation ist daher sowohl im niedergelassenen als auch im Spitalsbereich eine tragende Säule der Patientensicherheit“, so Aigner.

Informationslücken und Gefahrenquellen ansprechen

Gelungene Kommunikation sei eine wesentliche Handlungsgrundlage für alle Gesundheitsberufe, betonte auch Ursula Frohner, Präsidentin des Österreichischen Gesundheits- und Krankenpflegeverbands, und unterstrich damit, wie wichtig gut funktionierendes „Speak Up!“ sei. „Besondere Bedeutung bekommt dieses Instrument, wenn es im Team darum geht, auf Informationslücken hinzuweisen und durch abgestimmte Codewörter Fehler verhindert werden“, so Frohner.

Gute Zusammenarbeit der Gesundheitsberufe bedeute auch, aufeinander zu achten. Im Sinne der Vermeidung von Fehlern sind etwa beobachtete Informationslücken oder Unaufmerksamkeit einzelner Teammitglieder anzusprechen. Ergänzend meinte Frohner: „Darüber hinaus sind Gefahrenquellen konkret anzusprechen sowie bereits entstandene Fehler lösungsorientiert und gemeinsam mit allen Mitgliedern des Behandlungsteams aufzuarbeiten.“

Kontinuierliches Training evidenzbasierter Medizin

MTD-Austria als überbetriebliche Interessensvertretung und Dachverband der sieben gehobenen medizinisch-technischen Dienste Österreichs arbeite eng mit allen anderen Gesundheitsberufen zusammen. Auch für diese Berufsgruppe sei funktionierendes „Speak Up!“ essenziell, so Gabriele Jaksch, Präsidentin der MTD-Austria. „Das Gesundheitssystem Österreichs steht vor großen Herausforderungen. Qualitätssicherung und Patientensicherheit muss immer prioritär für alle Prozesse sein. Die gehobenen medizinisch-technischen Dienste Österreichs nehmen ‚Speak up’ sehr ernst – dennoch ist noch viel zu tun!“

Human Factors hätten insbesondere im Gesundheitswesen einen großen Einfluss auf die Qualität und stehen in Korrelation zur Patientensicherheit. Dazu Jaksch: „Sie sind der menschliche Nährboden von Fehlern. Aus diesem Grund ist die Interaktion im Team als auch eine abteilungs- und berufsgruppenübergreifende Kommunikation von besonderer Bedeutung. Gerade bei komplexen Rahmenbedingungen ist es wichtig, evidenzbasierte Medizin kontinuierlich im Team zu trainieren und zu verbessern.“

Kommunikationsprobleme bei Nahtstellen unterschiedlicher Systeme

Als Beispiel für „Speak Up!“ im Bereich der Apotheken nannte Susanne Ergott-Badawi, Mitglied des Präsidiums der Österreichischen Apothekerkammer, die Nahtstelle intramuraler und extramuraler Bereich. Diese berge alleine dadurch Potenzial für Kommunikationsprobleme, dass unterschiedliche Systeme aufeinandertreffen. „Die Entlassung des Patienten aus dem Spital ist systemtechnisch zu planen: medizinisch, pharmazeutisch sowie verrechnungs- und versorgungstechnisch. Die Apotheken und natürlich die Ärzte sind als erste Anlaufstelle nach einem Spitalsaufenthalt wichtige Kommunikatoren bei der weiteren Betreuung. Ich wünsche mir hier eine Intensivierung der standardisierten Kommunikationsschritte zwischen Apothekerin und Arzt“, so Ergott-Badawi.

Hinschauen statt Wegschauen

Patientinnen und Patienten, deren Angehörige und das Gesundheitspersonal müssen als wichtige Ressource und Informationsquelle für sicherheitsrelevante Wahrnehmungen aktiviert werden, leitete Gerald Bachinger, Sprecher der PatientenanwältInnen, sein Statement ein. „Der kritische Erfolgsfaktor, damit Patienten und Angehörige sich engagiert und selbstständig einbringen, ist ein aufmunterndes und aktivierendes Umfeld, das vor allem durch das Gesundheitspersonal vor Ort gestaltet werden kann.“

Der Abbau von starren Hierarchien und der Aufbau von offener Teamkultur sei eine herausfordernde Aufgabe. Dem Gesundheitspersonal seien die erforderlichen Ressourcen bereit zu stellen und es sei als oberste Führungsaufgabe zu begreifen. Dazu Bachinger: „Es ist derzeit bequem und einfach, sowohl für das System als auch den Einzelnen, eine Kultur des ‚Wegschauens’ zu praktizieren. Wir müssen alles unternehmen, um das Gesundheitspersonal und die Patienten zu einer Kultur des ‚Hinschauens’ zu befähigen und diese Form der Zivilcourage zu fördern.“

Interdisziplinären Dialog und Austausch fördern

Im Bereich der Patientensicherheit stelle der medizinische Fehler nach aktueller Studienlage in den „High Income Countries“ die dritthäufigste Todesursache dar, so Klaus Markstaller, Leiter der Universitätsklinik für Anästhesie, Allgemeine Intensivmedizin und Schmerztherapie des AKH Wien und der MedUni Wien. „Dies liegt an der zunehmenden Komplexität der Medizin und der demographischen Entwicklung. Diese Umstände fordern eine wesentlich höhere Interdisziplinarität und Interprofessionalität im Gesundheitswesen.“

„Speak Up“ sei eine wirkungsvolle Maßnahme, welche den interdisziplinären Dialog und den Austausch zwischen den Berufsgruppen zum Wohle der Patienten fördern kann. „Nur durch eine Professionalisierung der Schnittstellen zwischen den Fachdisziplinen und den Berufsgruppen können die Fortschritte der modernen Medizin den Patientinnen und Patienten wirkungsvoll zugutekommen“, so Markstaller.

Die Präsidentin der Plattform Patientensicherheit Brigitte Ettl betonte, dass Kommunikation im Gesundheitswesen auch einen offenen Umgang mit Fehlern beinhalte. „Speak Up!“ erfordere Wertschätzung, ein gemeinsames Herangehen an gute Lösungen, offene Türen und das Anbieten von Raum und Zeit für Gespräche, Reflexionen und Diskussionen. „Mit dieser Initiative zeigen wir Möglichkeiten, wie im Gesundheitswesen mit Gefahren und Sicherheitsbedenken umgegangen werden kann. ‚Speak Up’ ist mehr als nur ein Event. Es ist ein Indikator einer konstruktiven Fehler- und Führungskultur“, so Ettl abschließend.

Über die Plattform:
Die Österreichische Plattform Patientensicherheit ist ein unabhängiges, nationales Netzwerk. Diesem gehören die wesentlichen Einrichtungen und ExpertInnen des österreichischen Gesundheitswesens an, die sich mit PatientInnen- und MitarbeiterInnen-Sicherheit beschäftigen. Im Zentrum der Arbeit steht die Förderung der PatientInnen- und MitarbeiterInnen-Sicherheit durch Forschung, Koordination von Projekten, Vernetzung und Information.
www.plattformpatientensicherheit.at

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