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Die Rolle der Österreichischen Apothekerschaft in der Primärversorgung: Heute und Morgen

Branchen News vom 09.06.2015

Linz (OTS) – Im Vorfeld des traditionellen Sommergespräches der Oberösterreichischen Apothekerkammer, das am kommenden Donnerstag, den 11. Juni, im Lentos Kunstmuseum Linz stattfindet, fand auf Initiative der Apothekerkammer Oberösterreich ein Expertengespräch zur Rolle der Apotheker in der Primärversorgung statt. Das Ergebnis ist eine Bestandsaufnahme über die umfassende Kompetenz – aber auch die aktuelle Geringschätzung gegenüber der Leistungen der Apothekerschaft – im Rahmen des österreichischen Gesundheitssystems.

Erst vor einigen Jahren haben Dr. Hans Jörg Schelling in seiner damaligen Funktion als Vorsitzender des Verbandsvorstandes im Hauptverbandes der Österreichischen Sozialversicherungsträger und der jetzige Generaldirektor Dr. Josef Probst, den „Masterplan Gesundheit“ verfasst. Damals führte u.a. jene Passage, in welcher die Zusammenarbeit aller Gesundheitsberufe forciert wurde, zu öffentlicher Kritik. Mit der Gesundheitsreform folgte das Konzept der wohnortnahen Versorgung – und damit neuerlich die Forderung des Zusammenwirkens der Gesundheitsberufe im Sinne des Patienten. Betrachtet man die aktuell vorherrschenden politischen Paradigmen, so fällt auf, dass die Apothekerschaft nicht – entsprechend ihrer Kompetenz – in die angestrebte Vernetzung der Gesundheitsberufe eingebunden ist, ja sogar auf eine Randposition gedrängt wird. Auf Initiative von Mag. pharm. Dr. Ulrike Mursch-Edlmayr, Präsidentin der Apothekerkammer Oberösterreich, fand deshalb am 19. Mai ein Hintergrundgespräch statt, bei welchem Experten und Vertreter des Gesundheitssystems die Einbeziehung der Apothekerschaft thematisierten und die daraus resultierende, unzufriedenstellende Situation aufzeigten.

„In der Apotheke treffen wir täglich sowohl akut und chronisch Kranke als auch gesunde Menschen. Alle treten mit unterschiedlichen Gesundheitsfragen an uns heran, werden von uns individuell versorgt und bei Bedarf an andere Versorgungseinrichtungen weitergeleitet. Das breite Leistungsspektrum der Österreichischen Apothekerschaft erstreckt sich dabei von der umfassenden Arzneimittelversorgung über das Medikationsmanagement bis hin zur Früherkennung und Prävention. Apotheker begleiten als absolute Nahversorger ihre Kunden oft Jahrzehnte lang. Trotzdem wird das qualitativ höchstwertige Berufsbild des Apothekers vom Österreichischen Gesundheitssystem nicht mehr als Heilberuf gesehen, nichteinmal mehr als Gesundheitsdienstleister, sondern lediglich als optionaler Systempartner“, fasst Mursch-Edlmayr zusammen. „Chronisch kranke Patienten brauchen Führung und Motivation. Diese zentrale Aufgabe muss strukturiert werden. Die Apotheke der Zukunft kann mit Sicherheit anbieten, chronische Patienten zu betreuen, vor allem deshalb, weil sie ihre Stammkunden und deren Geschichte ja sehr gut kennt“, so Mag. pharm. Monika Aichberger, Vizepräsidentin der Apothekerkammer Oberösterreich. Und auch der Vizepräsident des Österreichischen Apothekerverbandes, Mag. Thomas Veitschegger, traut der heimischen Apothekerschaft deutlich mehr zu: „Die Positionierungsstrategie ist u.a. durch folgende Charakteristika klar definiert: Niederschwelligkeit, Nahversorgung, permanente Erreichbarkeit sowie Vertrauen, Management und Früherkennung. Die Apothekerschaft mit all ihren Kenntnissen in eine Primärversorgungsstruktur voll einzubinden liegt damit auf der Hand“. „Der Apotheker hat zudem einen Beruf, bei dem es keine Erstattungen für Dienstleistungen, sondern ausschließlich für die abgegebenen Packungen gibt“, fügt Mag. Alexander Herzog von der Apothekerkammer Oberösterreich hinzu.

Auch die Fachärztin für Radiologie und Abgeordnete zum Landtag, Dr. Julia C. Röper-Kelmayr, erkennt das hohe Fachwissen der Apotheker und sieht deren Rolle auch in Zukunft an zentraler Stelle: „Die Interdisziplinarität ist besonders kennzeichnend dafür, in welche Richtung sich unser Gesundheitswesen entwickeln wird. Die Apotheker sind dabei nicht ausgenommen und sollten sich sinnvollerweise nicht isoliert entwickeln. Eine Analyse aller Tätigkeitsprofile kann durchaus sinnvoll sein. Entscheidend ist aber, dass für Kompetenzen parallel klare rechtliche Rahmenbedingungen geschaffen werden. Die Säulen der Früherkennung und der Prävention sehe ich dabei als unabhängige Bereiche, die beispielsweise auch vom Bildungssystem erarbeitet werden müssen. Der Eintritt des Patienten in das Gesundheitswesen muss an der für diesen optimalen Versorgungsstelle erfolgen. Das kann freilich auch die Apotheke sein. So ist eine qualitativ und ressourcenoptimale Versorgung sichergestellt.“

Dass die Berufe im Gesundheitswesen berufsrechtlich auf Grund der Jahrhunderte alten Tradition starr organisiert sind, weiß der niederösterreichische Patienten- und Pflegeanwalt Dr. Gerald Bachinger: „Primär sollte es dabei nie um die Bedürfnisse der Berufsgruppen, sondern immer um die Bedürfnisse der Patienten gehen. Die fachliche Kompetenz der Apothekerschaft wird in Österreich bei weitem nicht ausreichend wahrgenommen, weder im stationären noch im niedergelassenen Bereich. Dabei sind die Spezialisten für Medikamente doch genau hier und nicht bei der Ärzteschaft angesiedelt. Die Kompetenz spiegelt sich also nicht in ihrer Rolle im heimischen Gesundheitssystem wider – sollte in Wahrheit aber schon viel früher, etwa im Diagnose- und Behandlungsprozess, wahrgenommen werden – nicht erst bei der Medikamentenvergabe. Hinzu kommt, dass wir in Österreich nicht in der Akutversorgung, aber in der Versorgung chronisch Kranker und multimorbider Patienten, schlecht organisiert sind. Hier soll das PHC-Modell helfen. Für das Medikationsmanagement muss die hohe Kompetenz der Apotheker genutzt werden.“

HR Dr. Matthias Stöger, Direktor für Soziales und Gesundheit im Land Oberösterreich, ortet die Apotheker bei den PHC Modellen auf Bundesebene als Systempartner, sieht sie aber nicht im inneren Kreis:
„Die genaue Ausgestaltung der PHC-Modelle muss auf Landesebene erfolgen. In Oberösterreich können diese Modelle sehr unterschiedlich gestaltet werden – Oberösterreich ist in der Konzeption also flexibel. Auf Bundesebene wurde ein Kompromiss definiert, bei dem der Arzt im Mittelpunkt steht, jedoch alles dem Wohl des Patienten zu dienen hat. Diskretion ist dabei sowohl in der Arztpraxis als auch der Apotheke von größter Bedeutung. In der Erstversorgung muss man aber generell mit einem kleineren Kern anfangen, den man in Folge erweitern kann“, so Stöger.

Landtagsabgeordneter Prim. Dr. Walter Aichinger, Gesundheitssprecher der ÖVP OÖ, sieht zudem die Rolle des klassischen Arztes bedroht, der künftig wohl nichtmehr im bisherigen Ausmaß zur Verfügung stehen wird. „Im Bereich der Erstversorgung werden sich wahrscheinlich ganz andere Strukturen und Behandlungspfade entwickeln. Freilich wird es auch innerhalb der Apotheken Veränderungen geben müssen. Auch das Entstehen neuer Gesundheitsberufe möchte ich aktuell nicht ausschließen. Für die Betreuung chronisch Kranker benötigen wir günstigere Berufsgruppen als jene der Pharmazeuten. Zu unterscheiden ist aber zwischen Apotheker und Pharmazeut. Wer Medikamente über den Ladentisch schiebt, braucht nicht die aufwendige Ausbildung zum Pharmazeuten“, so Aichinger.

Für Dr. Peter Adelsgruber von den NEOS geht es grundsätzlich um das Gespräch mit dem Patienten: „Der Erfolg von Primary Health Care steht und fällt mit den handelnden Akteuren. Als Spitalsarzt hätte ich gerne bei jeder Visite einen Pharmazeuten an meiner Seite. Wenn der Patient krank ist will er geführt werden. Prävention wird aber nicht funktionieren, wenn man den Menschen keinen finanziellen Anreiz bietet“. Mag. Judith Raab, Landessprecherin der NEOS Oberösterreich, erwartet sich beim Aufsuchen eines PHC-Zentrums sogar eine dort inkludierte öffentliche Apotheke: „Zudem ist Prophylaxe bei uns generell schlecht ausgeprägt. Auch hier könnte ich mir ein verstärktes Angebot von Apotheken vorstellen“, so Raab.

Den Standpunkt der Apotheker bekräftigt auch Landtagsabgeordnete Prim. Dr. Brigitte Povysil: „Bedenkt man die zunehmende Lebenserwartung, so wird die Medikamentenversorgung freilich immer essentieller. Darüber hinaus sind die Interaktionen der Medikamente zunehmend komplex und von hoher Bedeutung. Ich bin gespannt, was von der Apothekerkammer an neuen Vorschlägen und Ideen ins Gesundheitssystem eingebracht wird. An oberster Stelle steht für mich die Sicherstellung der medikamentösen Versorgung für den Patienten -im ländlichen Raum gleichermaßen wie in Ballungszentren. Gleichzeitig setzte ich mich klar gegen eine Limitierung von Medikamentenabgaben ein – in Dänemark können Patienten im PHC-Zentrum Medikamente nur nach bestimmten Listen und ökonomischen Wertigkeiten bekommen“.

Die Interessenvertretung der Oberösterreichischen Apothekerschaft wird sich weiterhin um eine adäquate Einbeziehung ihres Berufsstandes in das österreichische Gesundheitssystem bemühen.
Die politische Diskussion im Rahmen der Sommersgespräche der Oberösterreichischen Apothekerkammer am 11. Juni wird ein weiterer Impuls sein, das Leistungsspektrum der Apothekerschaft im Rahmen des Gesundheitssystems optimal zu positionieren.