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Der Wirtschaftsmotor Apotheke stockt

Branchen News vom 04.03.2013

KMU Forschung Austria: Betriebswirtschaftliche Lage der Apotheken deutlich verschlechtert

Wien (OTS) – Der Österreichische Apothekerverband schlägt Alarm. Stagnierende Kassenumsätze und sinkende Kassenspannen bringen die Apotheken in Bedrängnis. Neue Aufgabenfelder erfordern aber einen immer höheren Personalstand. Appell an die Gesundheitspolitik: Keine weitere Reduktion der Kassenspanne mehr sowie eine Vergütung bei neuen Services.

Die selbständigen Apothekerinnen und Apotheker betreiben 1.330 eigentümergeführte Apotheken und Filialapotheken in Österreich. Sie sind Arzneimittelexperten, Gesundheitsberater, Nahversorger, Arbeitgeber von 15.500 Mitarbeitern und Ausbildner von tausenden Lehrlingen. „Wir haben in den vergangenen 10 Jahren 3.500 neue Arbeitsplätze geschaffen. Das ist ein Zuwachs von 30 Prozent“, sagt Dr. Christian Müller-Uri, Präsident des Österreichischen Apothekerverbandes.

Apotheken sind eine wichtige Säule im österreichischen Gesundheitssystem. Noch dazu eine, die ihre Finanzströme immer transparent darstellt. Bisher galten die Apotheken in Österreich als stabiler Wirtschaftsfaktor, der die Bevölkerung mit Gesundheitsdienstleistungen und Arzneimitteln versorgt, sichere und hochwertige Arbeitsplätze schafft und fleißig mithilft, die Krankenkassen zu sanieren. Jahrelang haben die Apotheken durch Solidar- und Finanzierungsbeiträge die Krankenkassen unterstützt. Und tun das noch. Das hat dazu geführt, dass die Krankenkassen mittlerweile auf Erfolgskurs segeln und über einen Überschuss von 138 Millionen Euro im Jahr 2012 jubeln.

Die Lage ist angespannt

Kürzungen und Finanzierungsbeiträge haben aber ihre Spuren hinterlassen und die wirtschaftliche Situation der Apotheken deutlich verschlechtert. Der Kassenumsatz, der mit Arzneimitteln auf Kassenrezepten erzielt wird, und der 70 Prozent des Gesamtumsatzes einer Apotheke ausmacht, stagniert. Er ist im Jahr 2012 um lediglich 2,6 % auf insgesamt 2,310 Mrd. Euro gestiegen (2011: 2,251 Mrd. Euro).

„Bei einer Jahresinflationsrate von 2,4 Prozent kommt das einer Stagnation gleich“, sagt Mag. Thomas Veitschegger, Vizepräsident des Österreichischen Apothekerverbandes. In den Jahren 2011 (plus 2,2 % auf 2,251 Mrd. Euro) und 2010 (plus 0,8 % auf 2,195 Mrd. Euro) lag die Steigerung des Kassenumsatzes sogar unter der Inflationsrate.

Dieser defacto Stillstand ist eine Folge der Kostendämpfungsmaßnahmen der Krankenkassen, die bei der Medikamentenabgabe bereits vor Jahren den Sparkurs eingeschlagen haben. Demzufolge gab es im Jahr 2012 auch nur einen geringfügigen Anstieg bei den abgegebenen Kassenpräparaten, die einen Volumszuwachs von 0,8 % (2011: 1,2 %) aufwiesen.

Kassenspanne sinkt unter 18 Prozent

Was die Apotheken allerdings vollends an ihre wirtschaftliche Leistungsgrenze bringt, ist die sinkende Kassenspanne – also die Ertragsspanne bei den Kassenumsätzen – die seit 2007 um 12,38 % auf magere 17,49 % im Jahr 2012 gesunken ist. Veitschegger: „Während die Preise für Lebensmittel oder Benzin ganz selbstverständlich steigen, werden die Medikamente tendenziell immer billiger.“

Beispiel: Von einem Arzneimittel, das ein Apotheker um 10 Euro einkauft, sind ihm im Jahr 2007 noch 2,42 Euro als Spanne geblieben und im Jahr 2012 nur mehr 2,12 Euro. Damit muss er alle Kosten abdecken: Personal, Miete, Strom, EDV, aber auch Nachtdienste, die der Allgemeinheit zu Gute kommen.

Betriebswirtschaftliche Situation: schlecht

Da sich die rückläufigen Spannen negativ auf die betriebswirtschaftliche Entwicklung der Apothekenbetriebe auswirken, wird es immer schwieriger, die Apothekenbetriebe zu finanzieren. Eine aktuelle Studie der KMU Forschung Austria vom November 2012 (mit den Zahlen aus dem Geschäftsjahr 2011) bestätigt, dass der Wirtschaftsmotor Apotheke stockt.

Laut Studie weisen 29 Prozent aller Apotheken eine negative Umsatzrentabilität auf, das heißt, dass sie in die Verlustzone geschlittert sind, also echte Ertragsprobleme haben. „15 Prozent davon stecken sogar sehr tief in den roten Zahlen, also weit weg von einer schwarzen Null, und damit in einer wirklich misslichen Lage“, sagt Mag. Sven Abart, Direktor des Österreichischen Apothekerverbandes.

Hinzu kommt, dass die Eigenkapitalquote der Apotheken im Durchschnitt 10,4 Prozent beträgt. Das ist alarmierend, da diese Quote (wichtig für die Kreditwürdigkeit) bei rund 30 Prozent liegen sollte, was beim vergleichbaren Einzelhandel mit durchschnittlich 29,5 Prozent auch annähernd der Fall ist.

„Obwohl Apothekerinnen und Apotheker den Gesundheitsberufen zuzuordnen sind, einen flächendeckenden Versorgungsauftrag zu erfüllen haben und auch Nacht-, Sonntags,- und Feiertagsdienste versehen, führen sie die Apotheken nach privatwirtschaftlichen Gesichtspunkten“, so Abart. Und dabei ist die Handelsspanne – also der Rohaufschlag in Prozent des Verkaufspreises – eine wichtige Kennzahl. Die KMU-Studie belegt, dass die Apotheken mit einer durchschnittlichen Handelsspanne von 24 Prozent deutlich unter dem Einzelhandel liegen, der auf eine durchschnittliche Handelsspanne von 34 Prozent kommt.

Immer mehr Leistungen und Aufgaben

Während sich die betriebswirtschaftliche Situation der Apotheken weiterhin deutlich verschlechtert, wird das Spektrum der Aufgaben und Leistungen, die eine Apotheke zu erfüllen hat, immer größer. Neben der Beratung zur richtigen Einnahme von Medikamenten gibt es eine Fülle an Gesundheitsberatungen, die Apotheker unentgeltlich durchführen z.B. zum Raucherstopp, zu Impfungen, zur Ernährung, zur Bewegung, zur Lebensumstellung und zur Reisevorsorge. Außerdem messen die Apotheker Gesundheitswerte, stellen selbst Arzneimittel her (Magistrale Zubereitung), sind Partner in der Drogensubstitution und versehen pro Jahr rund 105.000 Nachtdienste und 15.000 Sonn- und Feiertagsdienste. Diese Bereitschaftsdienste werden übrigens nicht wie die Ärztenotdienste oder die Spitäler von der öffentlichen Hand finanziert, sondern von den Apotheken selbst. Dazu kommt als relativ neuer Service der Apothekenruf 1455, der bereits über 115.000 Menschen geholfen hat.

In den nächsten beiden Jahren kommen noch weitere neue und wichtige Aufgaben auf die Apotheker zu, z.B. die sogenannte -Medikation, die im Rahmen der ELGA umgesetzt wird und bei der die Apotheken eine große Rolle im Erkennen von Wechselwirkungen und Doppelverschreibungen spielen werden. Oder das Disease-Management, also das Begleiten chronisch kranker Menschen bei der Dauertherapie. Nicht zu vergessen, der stetig steigende Bürokratieaufwand. Alles zusammen erfordert einen immer höheren Personalbedarf.

Mit einem Stillstand beim wirtschaftlichen Wachstum wird es schwierig werden, die neuen Aufgaben auf dem gewohnten Spitzenniveau und mit noch mehr Mitarbeitern zu erfüllen. Einerseits fehlt den Apotheken das Wachstum, andererseits explodieren ihre Kosten.

Der Appell an die Gesundheitspolitik: Keine Reduktion der Kassenspannen mehr. Dafür eine Vergütung der neuen Dienstleistungen in den Apotheken, wie der e-Medikation und dem Disease-Management, durch die öffentliche Hand.

Auf einen Blick

Der Österreichische Apothekerverband ist die wirtschaftliche und politische Interessensvertretung der selbständigen Apotheker. Seine Aufgabe ist es, die Interessen seiner Mitglieder bestmöglich zu bewahren, durchzusetzen und in der Öffentlichkeit zu vertreten. Darüber hinaus unterstützt der Apothekerverband seine Mitglieder bei unternehmerischen Aufgaben. Er entwickelt Strategien und zeigt Problemlösungen auf, um die Position der Apotheker als freie und unabhängige Unternehmer in unserer Gesellschaft zu festigen und auszubauen.