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Keine Hausapotheke: Arzt weicht in Container aus

Branchen News vom 12.09.2016

Wenn sich im Umkreis von sechs Kilometern eine Apotheke befindet, darf keine Hausapotheke eröffnet werden. In Ruprechtshofen (Bezirk Melk) soll der Arzt deshalb nun in einen Container weiter weg ausweichen.

Durch die Regelung für Hausapotheken werde es immer schwieriger, Landärzte zu finden, heißt es bei der Ärztekammer. In Ruprechtshofen sei die Arztstelle bereits zehn Mal ausgeschrieben worden, betont Bürgermeister Leopold Gruber-Doberer (ÖVP) – bisher erfolglos. „Das zeigt, dass ein Landarzt ohne Hausapotheke keine Attraktivität hat“, so Gruber-Doberer, „und das gefährdet natürlich die Versorgung unserer Bevölkerung. Daher war es für mich als Bürgermeister die einzige Möglichkeit, Alternativen zu bieten.“ Diese Alternative soll ein Container auf der grünen Wiese sein, sechs Kilometer von der nächsten Apotheke entfernt.

 

Wiese

Hier soll die ungewöhnliche Ausweichmöglichkeit aufgebaut werden

Apothekerkammer befürchtet „Trick“

Von der örtlichen Apotheke wurde allerdings Einspruch erhoben. Man befürchte einen Trick, der das Apothekengesetz umgehen soll, heißt es bei der Apothekerkammer Niederösterreich, indem zuerst jenseits der sechs Kilometer eine ärztliche Hausapotheke eröffnet wird und „in dem Moment, wo man die Genehmigung bzw. Bewilligung dafür hat, wird der Berufssitz woanders hinverlegt“, sagt Präsident Heinz Haberfeld, „eben in die Nähe der öffentlichen Apotheke. Das würde nach der derzeitigen Gesetzeslage gehen.“

Bürgermeister Gruber-Doberer verweist auf andere Beispiele in Niederösterreich: „In Neuhofen an der Ybbs (Bezirk Amstetten) gibt es eine Arzt-Ordination im Container, es gibt in Groß-Ebersdorf (Bezirk Mistelbach) die gleiche Situation, und laut meinen Informationen ist es rechtlich derzeit nicht möglich, zurückzugehen. Das heißt: Wir wollen hier starten.“

 

Hausapotheke

Über die finanzielle Rolle der Hausapotheke gibt es verschiedene Meinungen

Wie wichtig ist der Verdienst aus der Hausapotheke?

Was die lange Wegstrecke für die Patienten betrifft, so argumentiert der Bürgermeister, dass die Alternative lauten würde, dass es gar keinen Arzt gibt. Über die finanzielle Rolle der Hausapotheke bestehen gravierende Auffassungsunterschiede.

„40 Prozent des Einkommens für einen Landarzt ist der Erlös aus der Hausapotheke“, argumentiert der Bürgermeister. „Bei einer Einwohnerzahl von 1.300 bis 1.500 Personen ist eine Ordination auch ohne ärztliche Hausapotheke wirtschaftlich zu führen“, heißt es dagegen bei der Apothekerkammer, „wenn er das nicht zu Stande bringt, dann muss man an den Qualitäten das Arztes zweifeln.“

Die nächste Entscheidung im Tauziehen um dieses Projekt liegt jetzt bei der Bezirkshauptmannschaft Melk. Die kann allerdings – je nach Ergebnis – wieder angefochten werden.

Neue Ärztin im Bezirk St. Pölten

Ähnlich lang war in Ober-Grafendorf und Weinburg im Pielachtal (Bezirk St. Pölten) eine Arztstelle ohne Hausapotheke ausgeschrieben. Seit mehr als eineinhalb Jahren war sie unbesetzt. Seit 4. Jänner ordiniert hier die gebürtige Brasilianerin Maria Trevisol-Bittencourt. Sie sei herzlich aufgenommen worden, sagt sie.

 

Maria Trevisol-Bittencourt

Trevisol-Bittencourt ist finanziell nicht auf die Hausapotheke angewiesen

Dass sie die so lang unbesetzte Stelle übernommen hat, habe mit ihren vielen Fähigkeiten zu tun. Sie habe andere Möglichkeiten, als den Zuverdienst durch die Hausapotheke. „Ich habe andere Jobs zur finanziellen Unterstützung, bis diese Ordination wirklich läuft.“ Trevisol-Bittencourt arbeitet zusätzlich auch in einer Kuranstalt, führt eine Wahlarzt-Praxis als Orthopädin und erstellt Gutachten. Letztendlich dreht sich also alles einmal mehr ums Geld. Und um die Frage, wer es verdienen darf, ohne dass die medizinische Versorgung darunter leidet.

ORF, 27.01.2016