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Sommergespräch der Apothekerkammer Oberösterreich thematisiert Apotheke der Zukunft

Branchen News vom 24.06.2016

Linz (OTS) – Zum 9. Mal diskutierte man im Rahmen des Sommergespräches der Apothekerkammer Oberösterreich über die politischen Hintergründe des Berufstandes der Apotheker. Konkret ging es diesmal um die künftigen Herausforderungen des heimischen Gesundheitssystems und die Rolle der Apotheke der Zukunft. Unter dem Schlagwort „Bleiben wir wachsam. Entwickeln wir uns weiter.“ blickten die anwesenden Vertreter aus Apothekerschaft und Gesundheitssystem – wie gewohnt – weit über den Tellerrand hinaus.

Unter dem Titel „Apotheke: Auslaufmodell oder Zukunftschance“ folgte man gemeinsam den Ausführungen prominenter Impulsgeber. Darunter Dr. Gerald Bachinger, Sprecher der österreichischen Patientenanwälte, PD Dr. Marcel Mesnil, Generalsekretär des schweizerischen Apothekerverbandes, und Mag. Martin Schaffenrath, Vorsitzender-Stv. im Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger. Die Diskussion auf Einladung des Präsidiums der Apothekerkammer Oberösterreich moderierte Mag. Hanns Kratzer von der PERI Group.

Vorbild Schweiz

Einleitend stellte PD Dr. Marcel Mesnil das Leistungsportfolio der schweizerischen Apotheker vor. Dort gibt es für die Apothekerschaft in Europa einzigartige Rahmenbedingungen. „2001 haben wir beschlossen, den Weg des Produktes mit dem Weg der Dienstleistung zu kombinieren. Die Rolle der Apotheke in der Grundversorgung besteht vor allem in der Triage und der Behandlung akuter Probleme, die nicht notwendigerweise in einer Arztpraxis bzw. ein Spital müssen“, so Mesnil, der auch das Thema der Non-Compliance ansprach: „Wir wissen, dass sich nach zwei Jahren einer Dauermedikation die Non-Compliance bei etwa 50 bis 60 Prozent der Patienten zeigt. Hier sind Therapieoptimierungen notwendig und es kann nur der Apotheker in der erforderlichen Sprache, auf Augenhöhe, den Patienten von der Therapienotwendigkeit überzeugen und folglich die Bedenken, sofern welche gegeben, gegenüber dem Medikament ausräumen. Bei der Primärversorgung sind Apotheker integraler Bestandteil“, so Mesnil weiter.

Optimierung des ungenutzten Potenzials bietet enorme Chance

Rasch einig war man sich bezüglich der großen Herausforderung der Zukunft. Nämlich, in der Apotheke das zu wenig genutzte Potenzial der Therapietreue zu optimieren. Laut einer Untersuchung von IMS Healthcare besteht im Bereich der Adherence weltweit ein Einsparungspotenzial von nicht weniger als 475 Billionen US Dollar. „Voraussetzung ist das Erreichen unterschiedlicher Verbesserungsmaßnahmen im Bereich der Medikation. Der gewichtigste Teil davon liegt mit 57 Prozent im Bereich Non adherence to treatment“, erläutert Mesnil, der dem mit Überzeugungsarbeit bei Politik und Versicherungen entgegnen will.

„Im Schweizer Modell begegnen sich Apothekerschaft und Ärzte auf Augenhöhe. Von diesem partnerschaftlichen Verhältnis profitieren beide Berufsgruppen, vor allem aber die Patienten. Das österreichische Gesundheitswesen hinkt dem hinterher. Apotheken sind ein wesentlicher Faktor für Adherence und Compliance und kümmern sich hingebungsvoll um ihre Patienten. Dennoch werden die Leistungen der österreichischen Apothekerschaft vom System leider noch immer zu wenig wertgeschätzt. Hier orte ich großes Verbesserungspotenzial, die Schweiz kann uns als Vorbild dienen“, sieht Mag. pharm Ulrike Mursch-Edlmayr, Präsidentin der Apothekerschaft Oberösterreich, in der Zusammenarbeit zwischen Apotheken und Ärzten in der Schweiz ein anschauliches Beispiel zur besseren Nutzung von Potenzialen. Sie führt weiter aus: „Auch wenn wir hinsichtlich der Strukturen noch nicht so weit sind wie die Schweiz, haben wir das Potenzial zur Veränderung im Sinne der bestmöglichen gesundheitlichen Nahversorgung“.

Mit Mag. Martin Schaffenrath, dem Vorsitzenden-Stv. im Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger, war ein hochrangiger Vertreter von Versicherungsseite anwesend. Er verwies auf die Beraterrolle der österreichischen Apotheken: „Das Bündeln verschiedenster Interessen im Gesundheitswesen ist natürlich schwierig. Von Seiten der österreichischen Sozialversicherung sind wir uns einig, dass das Ziel immer das bestmögliche Ergebnis für Patienten sein muss. Die österreichischen Apotheken leisten hierzu einen großen Beitrag. Sie haben einen bedeutenden Stellenwert in unserer Gesellschaft, gerade ihre Beratungsfunktion ist von enormer Wichtigkeit. Die österreichische Sozialversicherung warnt etwa auch vor unbegleiteter Selbstmedikation. Mit ihrer langjährigen, kompetenten Ausbildung sind die österreichischen Apotheker als Experten die beste Anlaufstelle für Patienten im Sinne der Vollversorgung. Ihre Leistungen sind im österreichischen Gesundheitswesen unverzichtbar.“

Dr. Gerald Bachinger, Sprecher der Patientenanwälte, ortet Verbesserungspotenzial im Bereich traditoneller berufsständischer Abgrenzungen. „Es gibt zwei Hotspots im österreichischen Gesundheitswesen, für die von Seiten der Patientenanwaltschaft mehr Sensibilität geschaffen werden muss: Hygiene im Spital und Medikamentationsmanagement. Das Potenzial von Österreichs Pharmazeuten, ihr Fach- und Spezialwissen, wird im Medikamentationsmanagement noch bei weitem nicht ausgeschöpft. Pharmazeuten müssen noch viel stärker im Gesundheitswesen eingebunden werden. In Österreich gibt es traditionell starke berufsständische Abgrenzungen. Ich denke, dass im Hinblick auf die bestmögliche Versorgung der Patienten, eine höhere Durchlässigkeit geschaffen werden sollte, damit das österreichische Gesundheitswesen und damit die Patienten vom Fachwissen der Apotheker profitieren können“, so Bachinger. In Bezug auf ärztliche Hausapotheken sieht er ein Risiko:
„Aus Qualität- und Patientensicherheitsgründen ist im Medikamentationsmanagement das Vier-Augen-Prinzip von großer Bedeutung. Wir haben eine ärztliche und pharmazeutische Kompetenz. Bei den ärztlichen Hausapotheken wird dieses sinnvolle Kontroll-Prinzip jedoch, aus Gründen der ärztlichen Standespolitik und Einkommensoptimierung für niedergelassene Ärzte, durchbrochen. In den USA etwa nehmen Pharmazeuten auch bei Visiten in Krankenhäusern ganz selbstverständlich eine tragende Rolle ein. Die dortigen Ärzte sind dankbar, dass neben der ärztlichen auch die pharmazeutische Kompetenz in der Behandlung von Patienten einen hohen Stellenwert einnimmt.“

Innovationen gefordert

Es besteht kein Zweifel daran, dass akuter Handlungsbedarf erforderlich ist und Innovationen zur Bewältigung der kommenden Herausforderungen notwendig sind, dessen ist sich die Apothekerkammer Oberösterreich auch bewusst. Im Rahmen des Sommergespräches wurde die Frage aufgegriffen, wie die künftige Rolle des Apothekers aussehen kann. Höchstes Vertrauen bei der Bevölkerung, pharmazeutische Ausbildung auf Top-Niveau, ein flächendeckendes Netzwerk und der niederschwellige Zugang zum Gesundheitssystem. Das sind die Eckpfeiler der heimischen Apothekerschaft. „Bei der Summierung dieser Eigenschaften ist das Vorliegen eines enormen Optimierungspotenzials nicht von der Hand zu weisen. Wir haben ein breites Spektrum von Dienstleistungen. Täglich sind wir mit den Anliegen von gesunden Menschen, akut Kranken und chronisch Kranken befasst. Im Rahmen unserer Ausbildung sind wir die Einzigen, die umfassend Medikamentenkunde und Arzneimittelherstellung erlernt haben. Zudem haben wir einen ausgeprägten Innovationsgeist. Vor diesem Hintergrund tragen wir Veränderung nicht nur mit, sondern setzen immer wieder eigene Initiativen um die Versorgung im Sinne des Patienten nachhaltig zu verbessern“, erklärt Mag. pharm. Dr. Ulrike Mursch-Edlmayr. Sie appellierte an die Entscheidungsträger im österreichischen Gesundheitswesen: „Wenn Sie die Leistungen der österreichischen Apothekerschaft nicht richtig einsetzen, vergeuden Sie Ressourcen. Ich appelliere deshalb an alle Verantwortungsträger des österreichischen Gesundheitssystems, sich dessen bewusst zu werden und den Veränderungsprozess im Sinne der heimischen Apotheken zu begleiten und zu unterstützen. Der Mensch muss die Möglichkeit haben, Fragen zu seiner Gesundheit zu stellen. Zu jeder Zeit. Wer kann das den Menschen bieten? Die Fachleute der österreichischen Apothekerschaft – Tag für Tag.“

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